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Politikfeld Wald

Einsichten und Perspektiven 4 | 16

schriften für den Privatwald in Bayern traditionell liberal

ausgerichtet, da die Idee einer Eigenverantwortlichkeit

des Eigentums innerhalb der politischen Mehrheiten über

lange Zeit auf stabilen Werthalten basiert.

Privatwald imWandel

11

54 Prozent des Waldes in Bayern befinden sich in priva-

tem Besitz von ca. 700.000 Waldbesitzern.

Der Waldbesitz verteilt sich jedoch nicht gleichmäßig

auf die Eigentümer, sondern folgt einer typischen Lorenz-

kurve. 56 Prozent der Waldbesitzer nennen weniger als

einen Hektar ihr Eigen. Häufig ist die Fläche parzelliert.

Insgesamt gehören diesen Waldbesitzern acht Prozent der

Fläche. Drei Prozent der Waldeigentümer besitzen mehr

als 20 ha. Dieser Gruppe gehört ein Drittel des Privatwal-

des. Ein weiteres Drittel ist im Eigentum von Waldbesit-

zern, die zwischen zwei und fünf ha Wald besitzen.

Das Waldeigentum war in der Vergangenheit auch für

die Kleinstwaldbesitzer (Flächen <2ha), die heute fast zwei

Drittel der Waldbesitzer stellen, eine wichtige meist ener-

getische Ressource. Das Eigentum war in der Regel mit

landwirtschaftlichen Betrieben verbunden. Durch den

Agrarstrukturwandel (insbesondere der Konzentration

der landwirtschaftlichen Produktion auf immer weniger

Betriebe) werden Flächen aus der Landwirtschaft ver-

pachtet oder verkauft. Wald bleibt dagegen weitestgehend

regelmäßig im Eigentum der Waldbesitzer.

1. Ressourcenverfügbarkeit

Aus einer technisch-ökonomischen Perspektive ergibt sich

das Phänomen, dass in diesen Kleinsteigentumswäldern

deutlich weniger Substanz genutzt wird als nachwächst.

Das natürliche, standörtliche Nutzungspotenzial wird

somit nicht ausgeschöpft. In unterschiedlichen Unter-

suchungen zeigt sich, dass sich die Waldeigentumsgroße

wesentlich auf das Verhalten der Waldeigentumer aus-

wirkt. Oft haben gerade diese kleineren Flachen unklare

Grenzen, ihre Grundstücke sind parzelliert, die Grundstü-

cke nicht oder nur schlecht mit Wegen erschlossen und sie

weisen eine ungunstige Gelandebeschaffenheit auf. Das

Argument „lohnt sich nicht“ lässt sich bei diesen Verhält-

nissen fast immer gegen eine Bewirtschaftung von kleinen

Waldflachen anführen. Es bedarf im Kleinstwaldbereich

daher der Entwicklung entsprechender, besitzübergreifend

wirksamer Strukturen, die eine Verfügbarkeit des Rohstof-

11 Vgl. Stefan Schaffner: Realisierung von Holzvorräten im Kleinprivatwald,

Freising 2001.

fes Holz garantieren oder zumindest denkbar erscheinen

lassen.

2. Änderung der Mentalität

Ein großerTeil der Kleinstprivatwaldbesitzer hat den Bezug

zur Landwirtschaft und Urproduktion über die Generati-

onen verloren. Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten, den

Wald zu bewirtschaften, nehmen deutlich ab. Aus der

sozialen Perspektive folgen diese Waldbesitzer nicht mehr

den traditionellen konservativen Werten, die sich in bäu-

erlichen Betrieben entwickelt haben, sondern sind heute

ein Abbild der gesamten Breite gesellschaftlicher Wert-

systeme. Waldbesitzer lassen sich mithin immer weniger

einem bestimmten Milieu zuordnen, sondern decken die

gesamte Bandbreite ab. Das forstliche Umfeld bezeichnet

diese Gruppe mit der Begrifflichkeit „urbaner“ Waldbesit-

zer. Dieses Bild eines „Städters“ verschleiert jedoch, dass

es sich keineswegs um eine homogene Gruppe handelt,

sondern dass unter ihnen sehr unterschiedliche Wertvor-

stellungen über den Wald und den Umgang mit ihm zu

finden sind. Vielfach sind Wohnort oder Lebensstil der

Eigentümer ausschließlich urban geprägt. Als „urban“

identifizierte Waldbesitzer sind längst im ländlichen Raum

präsent. Wurde der landwirtschaftliche Betrieb gemein-

sam mit dem Wald früher fast ausschließlich an männ-

liche Nachfolger vererbt, so hat sich dieses Bild drastisch

verändert. Betrachtet man das Geschlecht der Waldeigen-

tümer (Einzeleigentum, Miteigentum), so stehen heute

über 40 Prozent Frauen im Grundbuch. Studien über

„Waldbesitzerinnen“ zeigen, dass fur Frauen im Vergleich

zu ihren mannlichen Kollegen der materielle Gewinn aus

Waldeigentum eine eher untergeordnete Rolle spielt, ent-

sprechend wurden hier geringere Holzmengennutzungen

nachgewiesen.

12

Gleichzeitig interessieren sich Waldbesit-

zerinnen „starker fur okologische Themen und Ästhetik

im Wald als mannliche Waldbesitzer. Ihren Wald nutzen

sie zum Spazierengehen und Erholen viel häufiger als

Männer.“

13

Aus der sozialen Perspektive zeigt sich somit,

dass eine Integration dieser „neuen“ Waldbesitzer in etab-

lierte Forstwirtschafts- und Waldbesitzerorganisationen zu

deutlichen Veränderung in den Einstellungen und Wert-

haltungen dieser Organisationen führen wird.

12 Vgl. Jens Borchers: Geschlechterdifferenzierte Auswertung des Gutach-

tens „Strukturen und Motive des Waldbesitzes in NRW“. Vortrag/Prä-

sentation Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und

Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen, o.O. 2004.

13 Tina Melder: Waldbesitzerinnen in Bayern. Geschlechterdifferenzierte Se-

kundäranalyse einer Waldbesitzerberfragung, Freising 2010.