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Politikfeld Wald

Einsichten und Perspektiven 4 | 16

Der Stoff, aus dem unsere Wohnträume sind

In der gesellschaftlichen Wahrnehmung werden Holz-

produkte häufig nicht mit dem Produktionsort Wald

und dessen Bewirtschaftung verknüpft. Sowohl Holz-

produkte (natürlich, warm, vielseitig), als auch der Wald

(Erholung, Freizeit, Freiheit) werden positiv gesehen. Die

erforderliche Produktion von Holz, einem Stoff aus dem

die Wohn(t)räume sind, wird ausgeblendet. Dabei han-

delt es sich nicht um eine Besonderheit, sondern um ein

typisches Phänomen einer hocharbeitsteilig organisierten

Gesellschaft, die Produktionsprozesse und deren Bedin-

gungen zunehmend ausblendet.

Unabhängig von dieser gesellschaftlichen Wahrneh-

mung spielt der im Wald wachsende Rohstoff Holz auch

in der Bundesrepublik Deutschland eine gewichtige Rolle.

Aufgrund der hohen Holzvorräte wird Bayern auch häu-

fig mit der Metapher „Holzland Nummer 1“ belegt. In

Bayern werden jährlich ca. 28 Millionen Festmeter Holz

geerntet. Das ist weniger, als aktuell auf den Flächen nach-

wächst. Um die Bedeutung der Forst- und Holzwirtschaft

herauszustellen, hilft die Betrachtung der Branche in Form

des Clusters „Forst und Holz“ (in Bayern). In der Branche

sind ca. 196 000 Erwerbstätige beschäftigt. Die Vielfältig-

keit der Verwendungsmöglichkeiten von Holz deutet sich

in den Bezeichnungen der beteiligten Branchen bereits

an: Diese reichen von Papier und Zellstoff, Holzwerkstof-

fen, über Bauelemente zum Holz im Baugewerbe bis zur

Möbelherstellung. Bei neu gebauten Wohngebäuden lie-

gen Holzbauten heute bei ca. 20 Prozent. Vom gesamten

Holzeinschlag werden in Bayern 60 Prozent energetisch

genutzt. Dabei stammt ein Drittel aus Produktionsresten.

Als zentrale Herausforderungen für die Branche werden

gegenwärtig folgende Faktoren gesehen:

17

Wie kann das im Kleinprivatwald nicht genutzte Poten-

zial einer Nutzung zugeführt werden? Aufgrund der

dargestellten Vielfalt der Motive, Einstellungen und

Interessen der Waldbesitzer und dem zu erwartenden

weiteren Wandel, stellt dies eine ausgesprochen schwie-

rige Aufgabe dar. Ein großer Teil des Holzes, das im

Privatwald eingeschlagen wird, dient der energetischen

Nutzung. Dieser Rohstoff steht somit einer stofflichen

Nutzung nicht zur Verfügung. Hierfür steht die Figur

der „Kaskadennutzung“, die stofflichen Erstverwertun-

gen ein Primat vor einer energetischen Zweitverwer-

tung einräumen soll.

17 Vgl. Cluster-Initiative Forst und Holz in Bayern (Hg): Clusterstudie Forst,

Holz und Papier 2015, Klimaschutz, Wirtschaftswachstum und Zukunfts-

chance fur Bayern und seinen landlichen Raum, München 2016.

In Folge des Klimawandels sollen vermehrt Laubhölzer

angebaut werden, da diese an die veränderten Klima-

bedingungen besser angepasst sind. Da die Branche

bislang überwiegend an Nadelholz und dessen Verar-

beitung ausgerichtet ist, werden entsprechende Umstel-

lungen gefordert, da Laubholz andere Eigenschaften

aufweist als Nadelholz und damit technologische und

produktionstechnische Adaptionen erforderlich sind.

Hierfür werden aktuell durchaus hohe Forschungs-

und Entwicklungsmittel bereitgestellt.

Durch den Anbau klimatoleranter Nadelbäume könnte

der erwartete Rückgang des Nadelholzaufkommens kom-

pensiert werden.

Diese Herausforderungen folgen einer technisch-öko-

nomischen Rationalität. Aus der sozialen, ökologischen

und politischen Perspektive auf den Wald ergeben sich

noch eine Reihe von Konflikten, die damit kollidieren

könnten. Die dargestellte Marginalisierung des Waldei-

gentums wird sich weiter verstärken. Hier können nur

entsprechende staatliche oder staatlich geförderte Institu-

tionen versuchen, dem Waldeigentum in den Augen der

Waldbesitzer Sinn (Einnahmequelle, Ort der Ruhe und

Erholung, Familieneigentum, Tradition) zu verleihen.

Aus ökologischer Perspektive ist eine Erhöhung des Laub-

holzanteils erstrebenswert. Die Auseinandersetzungen in

den einschlägigen Fachmedien zeigen jedoch, dass dieser

Aspekt vor allem von der Holz- und Papierindustrie kri-

tisch betrachtet wird. Der Anbau fremdländischer Baum-

arten wird durchaus skeptisch begleitet.

Das Cluster Forst-Holz bildet eine überwiegend in der

Branche wahrgenommene Allianz. Den an der Allianz

beteiligten Akteuren ist es vor allem in der Politik gelun-

gen, die wirtschaftliche Bedeutung der Holznutzung her-

auszustellen. Das Cluster wirbt auch in der Gesellschaft

um Akzeptanz und lässt sich dabei von unterschiedlichen

Vorstellungen innerhalb der Gesellschaft leiten. Der Kern

der Kommunikation beruht darauf aufzuzeigen, dass aktu-

ell „alles“ bei der Waldbewirtschaftung in Ordnung sei und

es daher eine vernünftige Option für unsere Gesellschaft

sei, wenn auch kunftig die Freiheitsgrade der Waldbewirt-

schafter im Umgang mit demWald so blieben, wie sie sind.

Gerade Restriktionen bei der Bewirtschaftung gefahrden

die Branche. Diese Botschaften wirken jedoch überwiegend

nach innen und sind nur bedingt an gesellschaftliche Wert-

und Denkmuster anknupfungsfahig. Die „ungeregelte“

Nutzung kann jedoch mit Bildern der Zerstörung und Ver-

nichtung an bestehende Sorgen um bedrohte Umwelt und

Annahmen über fortschreitende Waldzerstörung andocken.