70
Politikfeld Wald
Einsichten und Perspektiven 4 | 16
Der Stoff, aus dem unsere Wohnträume sind
In der gesellschaftlichen Wahrnehmung werden Holz-
produkte häufig nicht mit dem Produktionsort Wald
und dessen Bewirtschaftung verknüpft. Sowohl Holz-
produkte (natürlich, warm, vielseitig), als auch der Wald
(Erholung, Freizeit, Freiheit) werden positiv gesehen. Die
erforderliche Produktion von Holz, einem Stoff aus dem
die Wohn(t)räume sind, wird ausgeblendet. Dabei han-
delt es sich nicht um eine Besonderheit, sondern um ein
typisches Phänomen einer hocharbeitsteilig organisierten
Gesellschaft, die Produktionsprozesse und deren Bedin-
gungen zunehmend ausblendet.
Unabhängig von dieser gesellschaftlichen Wahrneh-
mung spielt der im Wald wachsende Rohstoff Holz auch
in der Bundesrepublik Deutschland eine gewichtige Rolle.
Aufgrund der hohen Holzvorräte wird Bayern auch häu-
fig mit der Metapher „Holzland Nummer 1“ belegt. In
Bayern werden jährlich ca. 28 Millionen Festmeter Holz
geerntet. Das ist weniger, als aktuell auf den Flächen nach-
wächst. Um die Bedeutung der Forst- und Holzwirtschaft
herauszustellen, hilft die Betrachtung der Branche in Form
des Clusters „Forst und Holz“ (in Bayern). In der Branche
sind ca. 196 000 Erwerbstätige beschäftigt. Die Vielfältig-
keit der Verwendungsmöglichkeiten von Holz deutet sich
in den Bezeichnungen der beteiligten Branchen bereits
an: Diese reichen von Papier und Zellstoff, Holzwerkstof-
fen, über Bauelemente zum Holz im Baugewerbe bis zur
Möbelherstellung. Bei neu gebauten Wohngebäuden lie-
gen Holzbauten heute bei ca. 20 Prozent. Vom gesamten
Holzeinschlag werden in Bayern 60 Prozent energetisch
genutzt. Dabei stammt ein Drittel aus Produktionsresten.
Als zentrale Herausforderungen für die Branche werden
gegenwärtig folgende Faktoren gesehen:
17
•
Wie kann das im Kleinprivatwald nicht genutzte Poten-
zial einer Nutzung zugeführt werden? Aufgrund der
dargestellten Vielfalt der Motive, Einstellungen und
Interessen der Waldbesitzer und dem zu erwartenden
weiteren Wandel, stellt dies eine ausgesprochen schwie-
rige Aufgabe dar. Ein großer Teil des Holzes, das im
Privatwald eingeschlagen wird, dient der energetischen
Nutzung. Dieser Rohstoff steht somit einer stofflichen
Nutzung nicht zur Verfügung. Hierfür steht die Figur
der „Kaskadennutzung“, die stofflichen Erstverwertun-
gen ein Primat vor einer energetischen Zweitverwer-
tung einräumen soll.
17 Vgl. Cluster-Initiative Forst und Holz in Bayern (Hg): Clusterstudie Forst,
Holz und Papier 2015, Klimaschutz, Wirtschaftswachstum und Zukunfts-
chance fur Bayern und seinen landlichen Raum, München 2016.
•
In Folge des Klimawandels sollen vermehrt Laubhölzer
angebaut werden, da diese an die veränderten Klima-
bedingungen besser angepasst sind. Da die Branche
bislang überwiegend an Nadelholz und dessen Verar-
beitung ausgerichtet ist, werden entsprechende Umstel-
lungen gefordert, da Laubholz andere Eigenschaften
aufweist als Nadelholz und damit technologische und
produktionstechnische Adaptionen erforderlich sind.
Hierfür werden aktuell durchaus hohe Forschungs-
und Entwicklungsmittel bereitgestellt.
•
Durch den Anbau klimatoleranter Nadelbäume könnte
der erwartete Rückgang des Nadelholzaufkommens kom-
pensiert werden.
Diese Herausforderungen folgen einer technisch-öko-
nomischen Rationalität. Aus der sozialen, ökologischen
und politischen Perspektive auf den Wald ergeben sich
noch eine Reihe von Konflikten, die damit kollidieren
könnten. Die dargestellte Marginalisierung des Waldei-
gentums wird sich weiter verstärken. Hier können nur
entsprechende staatliche oder staatlich geförderte Institu-
tionen versuchen, dem Waldeigentum in den Augen der
Waldbesitzer Sinn (Einnahmequelle, Ort der Ruhe und
Erholung, Familieneigentum, Tradition) zu verleihen.
Aus ökologischer Perspektive ist eine Erhöhung des Laub-
holzanteils erstrebenswert. Die Auseinandersetzungen in
den einschlägigen Fachmedien zeigen jedoch, dass dieser
Aspekt vor allem von der Holz- und Papierindustrie kri-
tisch betrachtet wird. Der Anbau fremdländischer Baum-
arten wird durchaus skeptisch begleitet.
Das Cluster Forst-Holz bildet eine überwiegend in der
Branche wahrgenommene Allianz. Den an der Allianz
beteiligten Akteuren ist es vor allem in der Politik gelun-
gen, die wirtschaftliche Bedeutung der Holznutzung her-
auszustellen. Das Cluster wirbt auch in der Gesellschaft
um Akzeptanz und lässt sich dabei von unterschiedlichen
Vorstellungen innerhalb der Gesellschaft leiten. Der Kern
der Kommunikation beruht darauf aufzuzeigen, dass aktu-
ell „alles“ bei der Waldbewirtschaftung in Ordnung sei und
es daher eine vernünftige Option für unsere Gesellschaft
sei, wenn auch kunftig die Freiheitsgrade der Waldbewirt-
schafter im Umgang mit demWald so blieben, wie sie sind.
Gerade Restriktionen bei der Bewirtschaftung gefahrden
die Branche. Diese Botschaften wirken jedoch überwiegend
nach innen und sind nur bedingt an gesellschaftliche Wert-
und Denkmuster anknupfungsfahig. Die „ungeregelte“
Nutzung kann jedoch mit Bildern der Zerstörung und Ver-
nichtung an bestehende Sorgen um bedrohte Umwelt und
Annahmen über fortschreitende Waldzerstörung andocken.