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Politikfeld Wald

Einsichten und Perspektiven 4 | 16

In der Welt der Ruhe werden der Lärm der Holznutzung

und eine mögliche Geruchsbelastung durch Maschinen-

abgase nicht wahrgenommen. Die Waldbewirtschaftung

selbst wird somit von waldbesuchenden Menschen nicht

als störendes Element der Zivilisation interpretiert. Als

beunruhigend werden aber negativ „veränderte“ Wegezu-

stände (verschlammt, verdreckt, kaputt gefahren oder zu

grob geschottert) wahrgenommen und mit Bewirtschaf-

tungsfolgen in Zusammenhang gebracht.

Die genannten Aspekte verdeutlichen, dass die Waldbe-

wirtschaftung in der Wahrnehmung der Menschen und in

ihrer Erlebniswelt eine untergeordnete Rolle spielt. Im Vor-

dergrund befindet sich das Natur- oder Walderlebnis, in des-

sen Zentrum die Ruhe, die gute Luft, die Sehnsucht nach

Naturerlebnis steht. Pilze und Beeren liefern für einige Be-

sucher eine zusätzlich Gaumenfreude. Waldbewirtschaftung

wird kognitiv vielfach als Pflegemaßnahme verstanden und

daher als Element der Erhaltung des Waldes interpretiert.

Zwar lassen sich Anhaltspunkte dafür finden, dass auch die

Verwendung des gewonnenen Rohstoffes kognitiv reprä-

sentiert wird, jedoch steht dabei wiederum die Pflege des

Waldes im Vordergrund. Der Zugang zu einer wirtschaft-

lichen Nutzung von Wald gelingt den meisten Menschen

daher allenfalls über den Rohstoff

„Rundholz“: Erst, wenn der Baum

zum Stamm geworden ist, kann er

„konfliktfrei“ wirtschaftlich verwer-

tet werden. Wird die wirtschaftliche

Inwertsetzung mit dem Wald selbst

in Verbindung gebracht, kann so et-

was wie ein „Sorgenzentrum“ akti-

viert werden.

Wald ohne Bewirtschaftung –

Wildnis oder Chaos

Die Aufforderung, sich vorzustel-

len, dass der Wald sich selbst über-

lassen sein sollte, führt zu einer

deutlichen Polarisierung in den

Vorstellungen der Waldbesucher.

Jeweils vier von zehn Personen

prognostizieren die Entstehung

von Urwald und Wildnis oder

eben Verwilderung und Chaos.

Auf der einen Seite werden also

positive Folgen mit den Begriffen

der Wildnis oder auch des Urwal-

des beschrieben und eine heile

Natur im Wald ohne Menschen

beschworen. Auf der anderen Seite werden negative Folgen

der Verwilderung, der Unordnung oder des Chaos assozi-

iert und so die Anfälligkeit der Kultur (Wirtschaftswald)

gegenüber natürlichen (chaotischen) Kräften beklagt.

Die Vorgabe „Wenn niemand Verantwortung für den

Wald übernimmt …“ führt dazu, dass nun drei von vier

Befragten negative Folgen befürchten, während weniger

als ein Fünftel positive Folgen (z.B. Urwald, Natur) sieht.

Institutionalisiert oder personifiziert man diese Verant-

wortung in Form des Försters oder einer Forstverwaltung,

so fürchten sogar neun von zehn negative Folgen oder

treffen negative Wertaussagen.

Zur gedanklichen Welt des Sich-Selbst-Überlassens und

den damit vermuteten positiven Aspekten des Urwaldes

und der Wildnis gehört daher bei der Mehrheit der Bevöl-

kerung eine Person oder Institution, die Verantwortung

für Schutz, Pflege, Kontrolle und Ordnung trägt. Wird

im Gedankenexperiment diese Person/Institution „wegge-

dacht“, dann entzieht man der Wildnis- und der Urwald-

vorstellung die positive Anziehungskraft. Ohne eine Ver-

antwortung tragende Instanz wird eine Entwicklung ins

Chaos vermutet. Dieses empirische Ergebnis verdeutlicht

die starke symbolische Kraft, die Förster bzw. Forstverwal-

Bei den Waldbesuchen ärgere ich mich regelmäßig über …

Müll

Konflikte mit …

Sonstiges

Hundekot

(freilaufenden) Hunden

unfreundliche Menschen

Jagd

Wald und Natur

Zecken, Dornen …

Dreck

Zigarettenkippen

Fahrradfahrern

Joggern

Kindern

Einschränkungen mit

Hundebesitzern, Zustand Erholungseinrichtungen u. Wege …

Sorge um Wald

Waldverlust …

Forstwirtschaft

Bäume Fällen, Waldpflege …

Verschmutzungen

Abfall

Grafik: Anika Gaggermeier