76
Politikfeld Wald
Einsichten und Perspektiven 4 | 16
Die Politik, die zur Regelung des Konfliktfeldes aufgerufen
ist, steht vor demDilemma, dass zufriedene Stimmen (und
das ist „der“ Waldbesucher) ausgesprochen leise, unzufrie-
dene Stimmen auch vonMinderheiten sehr laut sein konnen.
Die Stimme der kommenden Generationen ist noch nicht zu
vernehmen, und kann nur stellvertretend erhoben werden.
Zudem haben beide Konfliktparteien (Forstkoalition,
Naturschutzkoalition) in der Wissenschaft ihre Fursprecher
gefunden, die eine „fundierte“ empirische Datenbasis fur
die normativen Positionen liefern.
Auf der Diskursebene ist eine Losung der Konflikte eher
unwahrscheinlich. Es geht nicht nur um das Objekt Wald
und seine Bewirtschaftung, sondern auch um die Durch-
setzung von Interessen gegen Widerstreben, also umMacht
und ihre Ausübung. Auf der Objektebene an konkreten
Orten konnen dagegen durchaus Losungen gefunden wer-
den, die beide Ideen integrieren oder auch segregieren.
Das Beispiel Holznutzung oder Flächenstilllegung
23
Betrachtet man Konflikte im Umfeld des Waldes, ist die
Konfliktlinie zwischen Naturschutz (Flächenstilllegung)
und Holznutzung derzeit der wichtigste Streitpunkt in
23 Vgl. Michael Suda/Klaus Pukall: Multifunktionale Forstwirtschaft zwi-
schen Inklusion und Extinktion, in: Schweizerische Zeitschrift für Forst-
wesen 165 (2014), H. 11, S. 333–338.
Deutschland. Hier stehen sich Forderungen der Forst-
wirtschaftskoalition und der Naturschutzkoalition häufig
diametral gegenüber. Die Streitgegenstände veränderten
sich dabei über die Jahre. In den 1990ern stand die Dis-
kussion über die Zertifizierungssysteme im Vordergrund,
Anfang der 2000er Jahre die Auseinandersetzung über die
gute fachliche Praxis und derzeit der Streit über die Biodi-
versitätsstrategie der Bundesregierung
24
– und aktuell die
Ausweisung eines dritten Nationalparks.
Gerade in Hinblick auf die Umsetzung der Biodiversi-
tätsstrategie und der erhobenen Forderung der Flächen-
stilllegung wird der Begriff der Segregation als Bedrohung
für die Waldbewirtschaftung in der öffentlichen Kommu-
nikation dargestellt.
25
Segregation beschreibt eine räum-
liche Trennung der „Waldfunktionen“ und eine damit
verbundene spezifische Bewirtschaftung von Teilflächen,
meist unter der Obhut von Forstwirtschaft einerseits
und des Naturschutzes andererseits. Von Forstseite wird
dagegen die nachhaltige multifunktionale Forstwirtschaft
beschworen, die eine Integration aller Waldfunktionen
24 Vgl. Georg Winkel: Waldnaturschutzpolitik in Deutschland. Bestandsauf-
nahme, Analysen und Entwurf einer Story-Line, Freiburg 2006, S. 163ff.
25 Vgl. Engelbert Schramm: Biodiversität und Klimawandel in der Naturwald-
debatte. Eine Diskursfeldanalyse (Biodiversität und Klima Forschungszen-
trum, Knowledge Flow Paper, Nr. 2), Frankfurt am Main 2009.
Protest
gegen
den Nationalpark Steigerwald
Foto: SZ Photo/Fotograf: Johannes Simon