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Politikfeld Wald
Einsichten und Perspektiven 4 | 16
aus: Im Vordergrund der Erinnerung stehen die Elemente
Waldsterben und Waldschäden, geprägt in den 1980er Jah-
ren. Bilder weltweiter Waldvernichtung haben deutliche
Spuren im Gedächtnis hinterlassen; der Gesundheitszu-
stand des Waldes gibt Anlass zu großer Sorge. Neben kol-
lektiver Schuld (Luftverschmutzung, Klimawandel) wer-
den wirtschaftlich motivierte Einzelinteressen als Gründe
vermutet. Diese menschliche Schuld wird durch Begriffe
der Kategorien ‚Abholzung‘, ‚Zerstörung‘ oder ‚Vernich-
tung‘ deutlich. Nur ein kleiner Teil der Befragten erinnert
sich demnach an positive Botschaften.
In der Erinnerung werden solche Nachrichten gespei-
chert, die das in den Medien überwiegend kommunizierte
Sorgenbild widerspiegeln, positive Botschaften werden
herausgefiltert. Für diesen Selektionsprozess dürfte zum
einen die Tatsache bedeutsam sein, dass sich der Mensch
allgemein verstärkt mit negativen Botschaften auseinan-
dersetzt und diese damit eher wahrgenommen werden
als positive. Zum anderen stoßen negative Botschaften
speziell zur Gefährdung des Waldes auf besondere Betrof-
fenheit, da der Wald in der eigenen direkten Erlebniswelt
mit sehr positiven Emotionen verbunden wird und gleich-
zeitig die negativen Botschaften auf verbreiteten Vorstel-
lungsmustern („Waldsterben“) aufbauen.
Im Zentrum der medialen Wirklichkeitskonstruktion
steht die Sorge um den Wald. Der Wald ist Symbol der
gefährdeten (Rest-)Natur, die es zu schützen gilt. An die-
ses Zentrum der Sorge sind nur solche Informationen und
Botschaften anknüpfungsfähig, die mit dem zentralen
Element der Sorge korrespondieren, wie beispielsweise
die Begriffe ‚Kahlschlag‘, ‚Vernichtung‘, ‚Waldbrand‘
oder ‚Rodung‘. Da die Angaben so eindeutig in Richtung
Sorge kulminieren, kann man auch davon ausgehen, dass
der Bürger geradezu „schlechte Nachrichten“ über den
Wald, seinen Zustand und den Umgang mit ihm in den
Medien erwartet. Dies rechtfertigt auch die Erwartung,
dass jedwede mediale Nachricht, die geeignet ist, über
Gefährdungen des Waldes Betroffenheit und Sorge bei
den Menschen auszulösen, vom Empfänger wahrgenom-
men werden und ihn auch bewegen werden.
Erlebniswald – „Wald der Sinne“: Sprechen wir mit
Menschen über ihre persönlichen Eindrücke, Erfahrun-
gen und Erlebnisse, so zeichnet sich ein Bild ab, das sich
diametral vom Bild in den Medien unterscheidet: Im Vor-
dergrund steht nun das Walderlebnis, Ruhe und Erholung
im Grünen. Es wird ein Rausch der Sinne beschrieben,
ein Hinhören, Riechen, Fühlen und Erleben von positiv
bewerteten Sinneseindrücken. Ursprung für diese Sinnes-
eindrücke ist das Verständnis von Wald als Inbegriff von
Natur. Abwechslung ist es, was die Menschen erwarten,
im Wald überwiegend finden und in der Erinnerung auch
erlebt haben wollen. Das Phänomen Wald kann für viele
Menschen die Sehnsucht stillen, (Rest-)Elemente einer
ungefährdeten, von Menschen nicht zweckentfremdeten
und heilen Natur zu erleben.
In den Augen der Menschen wird der Wald als Ort
der Erholung und Ruhe, als Erzeuger von Sauerstoff und
somit als Luft zum Atmen gebraucht. Der Wald symboli-
siert Leben. An den Rohstoff Holz denken Menschen der
heutigen Generationen in erster Linie nicht, wenn sie sich
im Wald befinden.
Beim Walderlebnis steht die Sehnsucht nach Ruhe und
Natur im Mittelpunkt, und nicht das Ansinnen, mit ana-
lysierendem Blick nach den medial geprägten Negativsze-
narien Ausschau zu halten.
Zwei Welten – zwei Bewertungen. In den Wahrneh-
mungen, Einstellungen und Bewertungen von Erholung-
suchenden trifft der Sozialempiriker also auf zwei sehr
unterschiedliche Vorstellungswelten zu Wald und Waldbe-
wirtschaftung. Aus der medialen Welt wird überwiegend
ein Bild der Gefährdung und der Vernichtung konstru-
iert, auf der anderen Seite steht eher ein Rausch der Sinne
im Wald. Würden sich die Menschen intensiver über den
Wald Gedanken machen, so müsste dieser Widerspruch zu
einer intensiveren gedanklichen Auseinandersetzung füh-
ren, als es vielfach der Fall ist.
20
Es muss jedoch davon aus-
gegangen werden, dass diese im Normalfall unterbleibt.
20 Vgl. Leon Festinger: A theory of cognitive dissonance, Stanford 1957.
Baumwipfelpfad im Nationalpark Bayerischer Wald
Foto: dpa/ZB/Fotograf: Patrick Pleul