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Politikfeld Wald
Einsichten und Perspektiven 4 | 16
Wahrnehmung der Waldbewirtschaftung
Befragt nach wahrgenommenen Veränderungen, äußert
der überwiegende Teil der „Waldnutzer“ unmittelbar nach
einem Waldspaziergang, dass ihm keine Veränderungen
aufgefallen seien. Jeweils etwa zehn Prozent der Waldbesu-
cher sind Veränderungen an Wegen, Spuren der Forstwirt-
schaft oder auch Aspekte des Waldsterbens aufgefallen. Es
ist davon auszugehen, dass diese unmittelbaren Eindrücke
nach einem Aufenthalt im Wald relativ schnell verblassen
und insgesamt der positive Erlebniseindruck überwie-
gen wird. Bei Interviews reaktivieren und verstärken die
Befragten bereits verblasste Erinnerungen.
Befragt man die Waldbesucher danach, was ihnen spontan
zu ihrem letzten Waldbesuch einfällt, so sind Holznutzun-
gen in Form von Eingriffen, Kahlschlägen oder Fällungs-
arbeiten nur drei von 1.000 Waldbesuchern in Erinne-
rung geblieben. Daraus lässt sich schließen, dass der beim
Waldspaziergang gewonnene Eindruck von Holznutzun-
gen keine bleibenden Erinnerungen erzeugt.
Auf die Frage nach dem Zweck des Bäumefällens steht
bei denWaldbesuchern nicht die Gewinnung des Rohstof-
fes Holz im Vordergrund, sondern eher die Waldpflege,
in deren Rahmen Holz gleichsam als „Nebenprodukt“
anfällt. Im Fokus der Menschen steht also auch hier der
Wald, der des Schutzes und der Pflege bedarf. Ökonomi-
sche Aspekte treten in den Hintergrund.
Allein durch den Begriff ‚Waldpflege‘ wird der Wald in
einen Kontext gestellt, der an die Vorstellungen und Werte
der Waldbesucher anknüpfungsfähig ist. Im Rahmen die-
ser Pflegevorstellungen werden z.B. störende und denWald
gefährdende Elemente (abgestorbene, kranke Bäume) ent-
fernt. In dieses Bild der Pflege passt sich die Nutzung von
dabei anfallendem Holz ohne Gegensatz ein. „Man nützt
dem Wald“ statt „Holznutzung, die den Wald nutzt“.
Geht man der Spur nach Elemen-
ten der Waldbewirtschaftung in
der Wahrnehmung und im Den-
ken der Menschen weiter nach,
so gibt das Antwortspektrum auf
die Frage, über was sich die Wald-
besucher regelmäßig ärgern, Auf-
schluss. Von den meisten wird
der Begriff Müll genannt. Auf-
grund der Tatsache, dass in den
Wäldern der Bundesrepublik Müll
im Wald objektiv kein Problem
darstellt, kann in dieser intensiv
negativen Wahrnehmung ein an-
derer Aspekt vermutet werden.
Durch den Begriff Müll wird zum
Ausdruck gebracht, dass Spuren
der Zivilisation im Wald als er-
lebter Gegenwelt unerwünscht
sind. Offensichtlich üben be-
reits kleine Müllmengen (Ziga-
rettenkippen, Kaugummipapier)
oder auch überquellende Müll
eimer an Waldparkplätzen einen
starken negativen Reiz aus. Denn
diese Gegenstände sind dishar-
monisch, haben im Bild der Ruhe
und Erholung keinen Platz. Dabei wird bei den Erinne-
rungen an den Waldbesuch Müll in der Regel nur selten
genannt. „Müllberge“ entstehen daher erst durch den Fra-
geimpuls, über was sich die Besucher regelmäßig ärgern,
geärgert haben oder ärgern würden.
Konflikte mit anderen Nutzergruppen bilden einen
weiteren Grund für innere Ärgernisse der Befragten. Vor
allem stören demnach freilaufende Hunde und wenig
Rücksicht nehmende Radfahrer.
Wenn ich an den heutigen Waldbesuch denke …
Erholung
Wald und Natur
Sonstiges
Entspannung
Landschaft
Natur
Müll
Arbeit
Soziale Kontakte
Sonstige Erinnerungen
Abwechslung
Besondere Erlebnisse
Aktivitäten
Spazieren, mit dem Hund gehen …
Wald in seiner Gesamtheit
Wald, Urwald …
Wald der Einzelteile
Tiere, Pflanzen …
Sinneseindrücke
Ruhe, Kühle, frische Luft …
Konflikte mit
Hundebesitzern, Radfahrern …
Sorge um Wald
Waldverlust, Waldschäden …
Forstwirtschaft
Bäume Fällen, Waldpflege …
Wohlempfinden
Landschaftlicher Reiz
Einrichtungen und
Infrastruktur
Wildpark, Spielplatz, Wege …
Grafik: Anika Gaggermeier