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Politikfeld Wald

Einsichten und Perspektiven 4 | 16

3. Marginalisierung 

14

Die extreme Besitzzersplitterung (im wesentlichen Be­

sitzgroßenklassen kleiner 2ha) geht einher mit einer als

Marginalisierung

15

des Waldbesitzes beschriebenen Ein-

stellung bei vielen Kleinwald-Besitzern. Der „aus Sicht

der Waldbesitzer bedeutungslose (bzw. sehr gering be-

deutende) Wald“ fuhrt daher zu einem reaktiven Um-

gang mit dem Wald, d.h. es wird vielfach nur nach ex-

terner Aufforderung durch z.B. den zuständigen Förster

im Katastrophenfall gehandelt bzw. allenfalls Brennholz-

bedarf „geerntet“, ohne dass eine Bereitschaft damit ver-

bunden ware, viel Pflege- und Aufbauarbeit in die eigenen

Waldbestande zu investieren.

Aus forstfachlicher Perspektive entwickeln Waldbe-

sitzer, die „keine Bedeutung bzw. Sinn“ in regelmaßigen

Ertragen aus der Bewirtschaftung ihres Waldes erkennen

(z.B. auch Deckung eines regelmaßigen Brennholzbedar-

fes), keine „in die Zukunft gerichteten Bewirtschaftungs-

vorstellungen“. Forstliche Beratungs- und Qualifizierungs-

angebote gehen daher vielfach mangels Erreichbarkeit des

Klientels ins Leere, ebenso entfalten Forderangebote viel-

fach keine bis geringe Attraktivitat.

Aktive Investitionen in Form von Verjungungsarbeit

oder Pflege unterbleiben somit oft. Ebenso unterbleibt

bei einer Marginalisierung des eigenen Waldbesitzes eine

aktive Wahrnehmung der Eigeninteressen als Waldbesitzer

(forstliche bzw. Eigentumerinteressen) in politischen Aus-

einandersetzungen. Aus der Sicht der Forstpolitikwissen-

schaft kann dieser „Negativ-Spirale“ der Marginalisierung

im Kleinstwald nur entgegengewirkt werden, wenn es

gelingt, dass nennenswerte Anteile der Kleinwaldbesitzer

wieder „stetige“ materielle und immaterielle Bedurfnisse

an ihren Waldern entwickeln, deren nachhaltige Befriedi-

gung sie nur durch „in die Zukunft gerichtetes, planvolles

waldbauliches Handeln absichern konnen“.

Staatliche Beratungs- und Fördersysteme, sowie die

Übernahme der Waldbewirtschaftung durch private

Selbsthilfeeinrichtungen oder Unternehmen stehen vor

dem Problem, dass sich der Waldbesitzer mit dem eige-

14 Vgl. Michael Suda/Anika Gaggermeier/Marc Koch: Landliche Entwicklung

in kleinparzellierten Waldgebieten. Strukturverbesserung fur den privaten

Waldbesitz in Bayern, in: DVW Bayern (2013), H. 2, S. 151–162.

15 „marginal“: nebensachlich, unbedeutend; „Negativ-Spirale der Margi-

nalisierung“: fehlende wirtschaftliche und immaterielle Bedeutung des

Waldeigentums, geringes bis fehlendes Interesse an einer aktiven Ausei-

nandersetzung mit dem Waldeigentum, fehlende bis geringe Motivation

zum Wissens- und Kompetenzaufbau fur Wald und Waldbewirtschaftung,

geringe bis fehlende Wertschatzung und damit Wahrnehmung forstlicher

Themen, kaum ausgepragte Eigenverantwortlichkeit fur den „bedeutungs-

los“ eingeschatzten eigenen Wald.

nen Waldeigentum auseinandersetzen muss, wenn er eine

Entscheidung zu treffen hat oder vom beratenden Förster

in eine Entscheidungssituation geführt wird. Aufgrund

der Marginalisierung ist eine solche Auseinandersetzung

jedoch von sich aus eher unwahrscheinlich und oft mit

hohem externen Aufwand verbunden. In Praxiserfah-

rungen über Beratungen dieser Waldbesitzerklientel wird

daher auch immer der damit verbundene hohe Zeitauf-

wand beklagt.

4. Die Dritte Kraft 

16

Um die Selbsthilfe und Kooperation zwischen den Wald-

besitzern zu fördern, wurden Ende der 1960er Jahre des

letzten Jahrhunderts Selbsthilfeeinrichtungen (namentlich

Forstwirtschaftliche Zusammenschlüsse) finanziell unter-

stützt. Diese Organisationen bildeten zunächst Selbst-

hilfeeinrichtungen, um die Nachteile der Besitzzersplit-

terung und geringen Größe auszugleichen. Inzwischen

spielen diese Organisationen für den größeren Waldbesitz

(ab 5ha) eine bedeutende Rolle. Die Konzentration der

Säge- und Papierindustrie hin zu wenigen Großunterneh-

men hat dazu geführt, dass das Interesse an kleinen Losen

(Holzmengen), die für den Kleinprivatwald typisch sind,

deutlich abgenommen hat. Die Zusammenschlüsse bün-

deln diese Kleinmengen und können so der Nachfrage eher

genügen. Für die abnehmende Seite (Holz- und Papierin-

dustrie) werden somit attraktive Mengen, stetig und plan-

bar zur Verfügung gestellt. In den letzten 20 Jahren haben

sich diese Organisationen zu professionellen Marktpart-

nern und zu Dienstleistungsunternehmen entwickelt.

Für Waldbesitzer ohne ausreichendes eigenes Knowhow,

Fertigkeiten und Ausrüstung haben diese Organisationen

sogenannte Waldpflegeverträge entwickelt, in deren Rah-

men auch Verantwortung übertragen werden kann. Einer

Übernahme der Verantwortung für Flächen von Kleinst-

privatwald, oft noch zersplittert auf mehrere, nicht zusam-

menhängende Flurstücke, steht jedoch der Aufwand

gegenüber, der mit einer Pflege kleinster, oft parzellierter

Grundstücke verbunden ist. Mit Hilfe von staatlicher För-

derung wird dieser Weg unterstützt.

16 Vgl. Michael Suda/Stefan Schaffner/Gerd Huml: Der Wandel als Motor,

veranderte Rahmenbedingungen als Herausforderung fur die forstlichen

Zusammenschlusse, in: LWF aktuell (2009), H. 70, S. 10–12; vgl. Stefan

Schaffner/Michael Suda/Gerd Huml: Zusammenschlusse auf Erfolgs-

kurs. Dynamische Entwicklung trotz sturmischer Zeiten, in: LWF aktuell

(2009), H. 70, S. 13–16; vgl. Stefan Schaffner/Michael Suda/Gerd Huml/

Eva Krause: Auf dem Weg zum Erfolg. Mittel und Wege zu effizienten

Zusammenschlussen, in: LWF aktuell (2009), H. 70, S. 24–29.