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Politikfeld Wald
Einsichten und Perspektiven 4 | 16
3. Marginalisierung
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Die extreme Besitzzersplitterung (im wesentlichen Be
sitzgroßenklassen kleiner 2ha) geht einher mit einer als
Marginalisierung
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des Waldbesitzes beschriebenen Ein-
stellung bei vielen Kleinwald-Besitzern. Der „aus Sicht
der Waldbesitzer bedeutungslose (bzw. sehr gering be-
deutende) Wald“ fuhrt daher zu einem reaktiven Um-
gang mit dem Wald, d.h. es wird vielfach nur nach ex-
terner Aufforderung durch z.B. den zuständigen Förster
im Katastrophenfall gehandelt bzw. allenfalls Brennholz-
bedarf „geerntet“, ohne dass eine Bereitschaft damit ver-
bunden ware, viel Pflege- und Aufbauarbeit in die eigenen
Waldbestande zu investieren.
Aus forstfachlicher Perspektive entwickeln Waldbe-
sitzer, die „keine Bedeutung bzw. Sinn“ in regelmaßigen
Ertragen aus der Bewirtschaftung ihres Waldes erkennen
(z.B. auch Deckung eines regelmaßigen Brennholzbedar-
fes), keine „in die Zukunft gerichteten Bewirtschaftungs-
vorstellungen“. Forstliche Beratungs- und Qualifizierungs-
angebote gehen daher vielfach mangels Erreichbarkeit des
Klientels ins Leere, ebenso entfalten Forderangebote viel-
fach keine bis geringe Attraktivitat.
Aktive Investitionen in Form von Verjungungsarbeit
oder Pflege unterbleiben somit oft. Ebenso unterbleibt
bei einer Marginalisierung des eigenen Waldbesitzes eine
aktive Wahrnehmung der Eigeninteressen als Waldbesitzer
(forstliche bzw. Eigentumerinteressen) in politischen Aus-
einandersetzungen. Aus der Sicht der Forstpolitikwissen-
schaft kann dieser „Negativ-Spirale“ der Marginalisierung
im Kleinstwald nur entgegengewirkt werden, wenn es
gelingt, dass nennenswerte Anteile der Kleinwaldbesitzer
wieder „stetige“ materielle und immaterielle Bedurfnisse
an ihren Waldern entwickeln, deren nachhaltige Befriedi-
gung sie nur durch „in die Zukunft gerichtetes, planvolles
waldbauliches Handeln absichern konnen“.
Staatliche Beratungs- und Fördersysteme, sowie die
Übernahme der Waldbewirtschaftung durch private
Selbsthilfeeinrichtungen oder Unternehmen stehen vor
dem Problem, dass sich der Waldbesitzer mit dem eige-
14 Vgl. Michael Suda/Anika Gaggermeier/Marc Koch: Landliche Entwicklung
in kleinparzellierten Waldgebieten. Strukturverbesserung fur den privaten
Waldbesitz in Bayern, in: DVW Bayern (2013), H. 2, S. 151–162.
15 „marginal“: nebensachlich, unbedeutend; „Negativ-Spirale der Margi-
nalisierung“: fehlende wirtschaftliche und immaterielle Bedeutung des
Waldeigentums, geringes bis fehlendes Interesse an einer aktiven Ausei-
nandersetzung mit dem Waldeigentum, fehlende bis geringe Motivation
zum Wissens- und Kompetenzaufbau fur Wald und Waldbewirtschaftung,
geringe bis fehlende Wertschatzung und damit Wahrnehmung forstlicher
Themen, kaum ausgepragte Eigenverantwortlichkeit fur den „bedeutungs-
los“ eingeschatzten eigenen Wald.
nen Waldeigentum auseinandersetzen muss, wenn er eine
Entscheidung zu treffen hat oder vom beratenden Förster
in eine Entscheidungssituation geführt wird. Aufgrund
der Marginalisierung ist eine solche Auseinandersetzung
jedoch von sich aus eher unwahrscheinlich und oft mit
hohem externen Aufwand verbunden. In Praxiserfah-
rungen über Beratungen dieser Waldbesitzerklientel wird
daher auch immer der damit verbundene hohe Zeitauf-
wand beklagt.
4. Die Dritte Kraft
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Um die Selbsthilfe und Kooperation zwischen den Wald-
besitzern zu fördern, wurden Ende der 1960er Jahre des
letzten Jahrhunderts Selbsthilfeeinrichtungen (namentlich
Forstwirtschaftliche Zusammenschlüsse) finanziell unter-
stützt. Diese Organisationen bildeten zunächst Selbst-
hilfeeinrichtungen, um die Nachteile der Besitzzersplit-
terung und geringen Größe auszugleichen. Inzwischen
spielen diese Organisationen für den größeren Waldbesitz
(ab 5ha) eine bedeutende Rolle. Die Konzentration der
Säge- und Papierindustrie hin zu wenigen Großunterneh-
men hat dazu geführt, dass das Interesse an kleinen Losen
(Holzmengen), die für den Kleinprivatwald typisch sind,
deutlich abgenommen hat. Die Zusammenschlüsse bün-
deln diese Kleinmengen und können so der Nachfrage eher
genügen. Für die abnehmende Seite (Holz- und Papierin-
dustrie) werden somit attraktive Mengen, stetig und plan-
bar zur Verfügung gestellt. In den letzten 20 Jahren haben
sich diese Organisationen zu professionellen Marktpart-
nern und zu Dienstleistungsunternehmen entwickelt.
Für Waldbesitzer ohne ausreichendes eigenes Knowhow,
Fertigkeiten und Ausrüstung haben diese Organisationen
sogenannte Waldpflegeverträge entwickelt, in deren Rah-
men auch Verantwortung übertragen werden kann. Einer
Übernahme der Verantwortung für Flächen von Kleinst-
privatwald, oft noch zersplittert auf mehrere, nicht zusam-
menhängende Flurstücke, steht jedoch der Aufwand
gegenüber, der mit einer Pflege kleinster, oft parzellierter
Grundstücke verbunden ist. Mit Hilfe von staatlicher För-
derung wird dieser Weg unterstützt.
16 Vgl. Michael Suda/Stefan Schaffner/Gerd Huml: Der Wandel als Motor,
veranderte Rahmenbedingungen als Herausforderung fur die forstlichen
Zusammenschlusse, in: LWF aktuell (2009), H. 70, S. 10–12; vgl. Stefan
Schaffner/Michael Suda/Gerd Huml: Zusammenschlusse auf Erfolgs-
kurs. Dynamische Entwicklung trotz sturmischer Zeiten, in: LWF aktuell
(2009), H. 70, S. 13–16; vgl. Stefan Schaffner/Michael Suda/Gerd Huml/
Eva Krause: Auf dem Weg zum Erfolg. Mittel und Wege zu effizienten
Zusammenschlussen, in: LWF aktuell (2009), H. 70, S. 24–29.