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„Lebenswelten junger Muslime in Deutschland“ – reloaded

Einsichten und Perspektiven 4 | 16

„Lebenswelten junger Muslime

in Deutschland“ – reloaded

von Wolfgang Frindte

Der Weg zur Studie

„Zusammenprall von Vorurteilen und Mythen“ – so

könnte man die Forschungsschwerpunkte des Jenaer For-

schungsteams seit mehr als 25 Jahren charakterisieren.

Anfangs ging es thematisch u.a. um Mythen, Gegenmy-

then und den gesellschaftlichen Umbruch in der DDR.

Dann rückten Vorurteile und Stereotype im interkultu-

rellen Vergleich in den Mittelpunkt. Fremdenfeindliche,

antisemitische und rechtsextreme Einstellungen spielten

ebenfalls eine zentrale Rolle. Mit dem Projekt „Terroris-

mus – mediale Konstruktion und individuelle Interpre-

tation“ 

1

kam eine weitere Facette hinzu. Im Ergebnis der

Studien, die das Forschungsteam durchführte, hatte sich

u.a. gezeigt, dass vor allem jene Personen, die sich selbst

stärker durch die Berichterstattungen der privaten Fernseh-

sender beeinflusst sehen und den Terrorismus als Bedro-

hung wahrnehmen, für die derzeit in der Öffentlichkeit

diskutierten Terrorgefahren vor allem „die Muslime“

verantwortlich machen. Auf dieser Grundlage wurde seit

2008 verstärkt die Frage nach der Beschaffenheit antimus-

limischer Einstellungen in den Blick genommen und dar-

auf, wie Muslime in Deutschland mit derartigen Vorurtei-

len und damit verbundenen Diskriminierungen umgehen.

Das hier vorzustellende Projekt zielte darauf ab, nicht nur

empirische Befunde über die Radikalisierungsprozesse von

jungen Muslimen

2

in Deutschland zu ermitteln, sondern

1 Vgl. Wolfgang Frindte/Nicole Haußecker: Inszenierter Terrorismus, Wies-

baden 2010.

2 Der Lesbarkeit halber wird in Folge die männliche Form belebter Subs-

tantive verwendet (generisches Maskulinum). Gemeint sind aber – wenn

nicht anders angegeben – sowohl Frauen als auch Männer.

auch deren

Integrationsbereitschaft zu untersuchen. Auf

der Grundlage dieser Befunde sollten überdies Schlussfol-

gerungen und differenzierte Handlungsempfehlungen für

eine zielgruppenbezogene Integration und Deradikalisie-

rung erarbeitet werden.

Der Abschlussbericht zu diesem Projekt wurde

Ende Februar 2012 durch das Bundesministerium des

Innern unter dem Titel „Lebenswelten junger Muslime

in Deutschland“ veröffentlicht.

3

Im Folgenden werden

zunächst in einer Synopse einige Ergebnisse des Projekts

(kurz: „Lebenswelt-Projekt“) vorgestellt. Im Rahmen

einer Sekundäranalyse wird noch einmal auf die Daten

dieses Projekts zurückgegriffen, um nach Faktoren zu

suchen, von denen islamistisch-fundamentalistische,

radikale und gewaltaffine Überzeugungen abhängig sein

könnten. Um diese Befunde einordnen zu können, sind

zunächst einige Ausführungen zu den theoretischen Prä-

missen des ursprünglichen Projekts, das ja nun schon

etwas in die Jahre gekommen ist, und seiner methodi-

schen Umsetzung nicht zu vermeiden. Die Publikation

der Befunde war im Jahre 2012 keinesfalls unumstrit-

ten. Die Geschichte dieser Debatte ist nachzulesen im

Buch „Der Islam und der Westen – Sozialpsychologische

Aspekte einer Inszenierung“.

4

3 Wolfgang Frindte/Klaus Boehnke/Henry Kreikenbom/Wolfgang Wagner:

Lebenswelten junger Muslime in Deutschland, Berlin 2012. Eine neuere

Studie zu „Lebenswelten deutscher Muslime“ liegt inzwischen auch von

der Bertelesmann Stiftung vor: Dirk Halm/Martina Sauer: Lebenswelten

deutscher Muslime, Gütersloh 2015.

4 Wolfgang Frindte: Der Islam und der Westen. Sozialpsychologische Aspekte

einer Inszenierung, Wiesbaden 2013.