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„Lebenswelten junger Muslime in Deutschland“ – reloaded

Einsichten und Perspektiven 4 | 16

Abbildung 2: Vergleiche zwischen deutschen Nichtmuslimen, deutschen Muslimen und nichtdeutschen Muslimen

(im Alter von 14 bis 32 Jahren)

Quelle: Frindte/Boehnke/Kreikenbom/Wagner (wie Anm. 3)

Sowohl in der Gruppe der deutschen Muslime als auch

in der der nichtdeutschen Muslime ließ sich in der Studie

eine Subgruppe identifizieren, die als „streng Religiöse mit

starken Abneigungen gegenüber dem Westen, tendenzi-

eller Gewaltakzeptanz und ohne Integrationstendenz“

bezeichnet werden konnte. Diese Untergruppe umfasste

in der Teilstichprobe der deutschen Muslime ca. 15 Pro-

zent und in der Gruppe der nichtdeutschen Muslime ca.

24 Prozent. Mögliche Erklärungen bzw. Ursachen für

diese potenziellen Radikalisierungstendenzen lagen vor

allem im Ausmaß der „autoritären Überzeugungen“, der

Orientierung an traditionellen Werten sowie in der Wahr-

nehmung bzw. dem Erleben von „gruppenbezogener Dis-

kriminierung“. Eine Präferenz für türkische Fernsehsen-

der (um sich politisch zu informieren) verstärkte manche

dieser negativen Einstellungen zusätzlich.

Ein weiterer Forschungsschritt konzentrierte sich auf die

Analyse von Internetforen

und deren Einfluss auf Integra-

tions- und/oder Radikalisierungsprozesse

.

Dazu wurden

insgesamt 6.725 Postings aus hauptsächlich von jungen

Muslimen genutzten Internetforen und Blogs ausgewertet

und in Fokusgruppen mit Muslimen aus verschiedenen

Regionen Deutschlands diskutiert. Auch diese Analysen

zeigten, dass es innerhalb der Muslime in Deutschland

viele verschiedene Milieus und Gruppierungen gibt, die

vor unterschiedlichen Problemen und Herausforderungen

stehen. Dass sich eine große Zahl von Muslimen aufgrund

des negativen Bildes „der Deutschen“ vom Islam und der

als einseitig negativ empfundenen Medienberichterstat-

tung über den Islam ausgegrenzt sieht und als Gruppe

diskriminiert fühlt, konnte auch in diesem Projektteil

bestätigt werden. Diese Menschen, die sich in die deutsche

Gesellschaft integrieren wollen, stehen vor der Herausfor-

derung, trotz dieser wahrgenommenen ablehnenden Hal-

tung der Deutschen ein positives soziales Selbstverständnis

z.B. als „Deutschtürken“ oder „deutsche Muslime“ zu

entwickeln und aufrechtzuerhalten, sogenannte „Binde-

strich-Identitäten“

(Hyphenated Identities),

also zusam-

mengesetzte Identitäten, zu entwickeln. Für die eher kleine

Gruppe streng religiöser und fundamentalistisch religiö-

ser Muslime stellt sich indes dieses Problem nicht, da für

diese Gruppe nur die eigene religiöse Identität als „wahre“

Muslime zählt. Durch die strikte Befolgung der religiösen

Vorschriften grenzen sich diese Muslime einerseits bewusst

von der deutschen Mehrheitsgesellschaft ab. Andererseits

lehnen die meisten fundamentalistisch religiösen Muslime

aber auch religiös motivierte Gewalt entschieden ab und

wollen mit den „wahnsinnigen“ und „kriminellen“ Terro-

risten nichts zu tun haben.

Da auch die „klassischen“ Verbreitungsmedien, wie das

Fernsehen, nach wie vor die Integrationsbereitschaft jun-

ger Muslime im Positiven wie im Negativen zu beeinflus-

deutsche Nichtmuslime

Gruppenzugehörigkeit (Staatsangehörigkeit/Religion)

Zustimmung in Prozent

deutsche Muslime

nichtdeutsche Muslime

Vorurteile gegenüber dem Westen

Vorurteile gegenüber Juden

Demokratiedistanz

Religiöser Fundamentalismus

Akzeptanz ideologisch

fundierter Gewalt

0

10

20

30

40

50

17,8 %

3,2 % 4,1 %

8,1 %

9,9 %

45,2 %

47,1 %

26,4 %

42,7 %

41,2 %

22,2 %

25,3 %

30,7 % 29,5 %

22,9 %