Table of Contents Table of Contents
Previous Page  44 / 80 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 44 / 80 Next Page
Page Background

44

„Alle Terroristen sind Moslems“?

Einsichten und Perspektiven 4 | 16

tisch nicht zu bannen ist. Dafür braucht es noch nicht

einmal erfolgreiche Anschläge. Die Möglichkeit einer ter-

roristischen Aktivität, der bloße Verdacht, reicht ggf. für

eine entsprechende Bedrohungswahrnehmung aus, unab-

hängig davon, ob tatsächlich ein terroristischer Hinter-

grund vorliegt oder ob es konkrete Anschlagspläne gab.

40

Schließlich kann jeder potenziell für den IS/

Daesh

in den

terroristischen Kampf ziehen.

41

Warum aber ist die Angst vor Terrorismus oder genauer:

die Angst vor islamistischem Terrorismus so groß, wäh-

rend umgekehrt die öffentliche Bedrohungsperzeption und

Bedrohungskonstruktion

des Rechtsterrorismus weitaus

geringer ist? Und das, obwohl in Deutschland die Delikte

rechter Straftäter in 2015 um fast 35 Prozent auf insgesamt

22.960 gestiegen sind? Auch die Zahl rechtsextremistischer

Gewalttaten erreichte 2015 in Deutschland einen Rekord-

wert. Diese Zahl stieg um mehr als 44 Prozent auf 1.485

Fälle. Die Zahl der Straftaten gegen Aufnahmeeinrichtun-

gen von Geflüchteten stieg um 427 Prozent, die der Gewalt-

taten gegen Unterkünfte sogar um 580 Prozent. Fremden-

feindliche rechte Straftaten im Bereich Hasskriminalität

stiegen um 89,2 Prozent auf 9.426 Fälle. Rechtextremistisch

motivierte fremdenfeindliche Gewalt stieg um 78,5 Prozent

auf 980 Delikte.

42

Dies ist insofern nicht überraschend,

40 Zeit Online/Die Zeit: Hans-Georg Maaßen: Geheimdienst hat keinen

Hinweis auf konkreten Anschlag vom 05.02.2016,

<http://www.zeit.de/

gesellschaft/zeitgeschehen/2016-02/hans-georg-maassen-islamismus-

berlin-is-algerien-alexanderplatz> [Stand: 07.02.2016].

41 Die Wirkung solcher „ganz normaler Ermittlungsarbeit“ zeigt gerade

das Beispiel Deutschland, wo es auch vor dem Selbstmordanschlag von

Ansbach im Juli 2016 schon eine konstant hohe öffentliche Bedrohungs-

perzeption durch islamistischen Terrorismus gab. Nur noch einmal zu

Erinnerung: Gerade weil man auch einer potenziell (islamistischen) terro-

ristischen Bedrohung solche Aufmerksamkeit schenkt, erscheint der (isla-

mistische) Terrorismus so gefährlich. Das genau ist die konstruktivistische

Logik terroristischer Bedrohungsperzeption. Dass Staaten gar nicht anders

können, als auch auf eine nur potenzielle Bedrohung durch Ermittlungs-

arbeit zu reagieren, ist das, womit terroristische Organisationen rechnen.

42 BMI: Politisch Motivierte Kriminalität im Jahr 2015 - Bundesweite Fallzah-

len aus 2016,

<http://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Nach-

richten/Pressemitteilungen/2016/05/pmk-2015.pdf;jsessionid=903F0BFF4

FA227B4B60D97309EDF945C.2_cid373?__blob=publicationFile> [Stand:

27.09.2016] und BMI: PMK -Straftaten gegen Asylunterkünfte nach Delikts-

bereichen 2014, 2015 und 2016,

<http://www.bmi.bund.de/SharedDocs/

Downloads/DE/Nachrichten/Pressemitteilungen/2016/05/pmk-2015-straf-

taten-gegen-asylunterkuenfte.pdf;jsessionid=903F0BFF4FA227B4B60D97

309EDF945C.2_cid373?__blob=publicationFile> [Stand: 27.09.2016]; BMI:

Übersicht ‚Hasskriminalität‘, 2016,

<http://www.bmi.bund.de/SharedDocs/

Downloads/DE/Nachrichten/Pressemitteilungen/2016/05/pmk-2015-hass-

kriminalitaet-2001-2015.pdf;jsessionid=903F0BFF4FA227B4B60D97309

EDF945C.2_cid373?__blob=publicationFile> [Stand: 27.09.2016]; Andre-

as Bock: Kriminalstatistik 2015: Eine unverändert hohe Gefährdungslage

durch ‚Flüchtlinge‘? vom 07.06.2016,

<http://fluechtlingsforschung.net/

kriminalstatistik-2015-eine-unverandert-hohe-gefahrdungslage-durch-

fluchtlinge/> [Stand: 17.06.2016].

als dass das Bundesamt für Verfassungsschutz bereits 2014

rund 21.000 Rechtsextremisten in Deutschland gezählt

hatte, von denen etwa 10.500 als „gewaltbereit“ eingestuft

wurden.

43

Bemerkenswert allerdings erscheint, dass diese

mehr 10.000 potenziell rechtsterroristischen „Gefährder“

weitaus weniger problematisch perzipiert werden, als die

etwa 420 islamistischen „Gefährder“.

Eine erklärende Hypothese für diesen Umstand könnte

sein, dass die öffentliche Bedrohungsperzeption und

Bedrohungskonstruktion eines islamistischen Terrorismus

durch sozial etablierte und reproduzierte Stereotype des

Islam und muslimischen Gläubigen, die als gefährlich

und/oder nicht zu Deutschland gehörend eingeschätzt

werden, verstärkt werden: „Über die Hälfte der Bevölke-

rung [in Deutschland, A.B.] nimmt den Islam als Bedro-

hung wahr und ein noch höherer Anteil ist der Ansicht,

dass der Islam nicht in die westliche Welt passt.“ 

44

Und

der Aussage, „Muslimen sollte die Zuwanderung nach

Deutschland untersagt werden“, mit der der designierte

US-Präsident Donald Trump im Wahlkampf für Stim-

mung und Empörung gesorgt hat,

45

stimmten laut Religi-

onsmonitor bundesweit 24 Prozent „voll und ganz“ oder

„eher“ zu.

46

Eine entsprechende Wahrnehmung muslimi-

scher Gläubiger und des Islam hatten Zick, Küpper und

Hövermann auch für Europa festgestellt. So

unterstellen

17 Prozent der befragten Deutschen und durchschnittlich

22 Prozent der Europäer: „Die Mehrheit der Muslime fin-

det islamistischen Terrorismus gerechtfertigt.“ 

47

43 Daniel Koehler: Strategies of contention. Right-wing extremism and

‚counter-state terror‘ as a threat for western democracies vom 23.03.2016,

<http://www.sicherheitspolitik-blog.de/2016/03/23/strategies-of-

contention-right-wing-extremism-and-counter-state-terror-as-a-

threat-for-western-democracies/> [Stand: 29.11.2016].

44 Bertelsmann Stiftung: Religionsmonitor – verstehen was verbindet. Sonder-

auswertung Islam 2015. Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick, <http://

www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/Projekte/51_Religionsmonitor/

Zusammenfassung_der_Sonderauswertung.pdf> S. 7. [Stand: 29.11.2016].

45 Dara Lind: Donald Trump proposes ‚total and complete shutdown of

Muslims entering the United States‘ vom 07.12.2015,

<http://www.vox

.

com/2015/12/7/9867900/donald-trump-muslims> [Stand: 25.04.2016].

Eine Forderung, die sich aber auch Ungarns Ministerpräsident Orbán und

Polens Ministerpräsidentin Ewa Kopacz zu eigen gemacht haben

(Welt.de:

Islam: Polen will nur christliche Flüchtlinge aufnehmen, vom 25.06.2015,

<http://www.welt.de/politik/ausland/article143093749/Polen-will-nur-

christliche-Fluechtlinge-aufnehmen.html> [Stand: 25.04.2016]).

46 Bertelsmann Stiftung (wie Anm. 44), S. 8.

47 Andreas Zick/Beate Küpper/Andreas Hövermann: Die Abwertung der An-

deren. Eine europäische Zustandsbeschreibung zu Intoleranz, Vorurteilen

und Diskriminierung, Tübingen 2011, S. 70.