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„Alle Terroristen sind Moslems“?
Einsichten und Perspektiven 4 | 16
oder – bei der Annahme, dass alle terroristischen Grup-
pen, die sich selbst als Kämpfer des IS/
Daesh
bezeich-
nen, tatsächlich Teil dieser terroristischen Organisation
sind – sogar mehrere Gesellschaften zur gleichen Zeit zu
terrorisieren. Unterstützung ist für die Macht und den
Einfluss einer terroristischen Organisation so wichtig,
weil sie für das eigentliche Mittel des Terrorismus, für die
Erzeugung von Terror, entscheidende Bedeutung hat. Je
größer die Unterstützung für eine Organisation ausfällt,
umso aussichtsloser muss der Kampf gegen sie erschei-
nen: Für jeden Terroristen, der gefangen oder getötet,
für jede Zelle, die zerschlagen wurde, melden sich meh-
rere neue Freiwillige, führen mehrere neue Zellen den
Kampf weiter.
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Analytisch lässt sich Terrorismus durch
vier Merkmale bestimmen: Als politische Gewalt (1), die
Zwang ausübt (2), indem sie Angst und Schrecken (Ter-
ror) verbreitet (3), weil sie grundsätzlich jeden verletzen
und töten kann (4).
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Von dem
Grande Terreur
zum Terrorismus
Die Geburtsstätte des (modernen) Terrorismus ist das
revolutionäre Frankreich des 18. Jahrhunderts. Die Losung
der Revolution, den Bürgern nicht nur Freiheit und
Gleichheit zu bringen, sondern sie auch zur Brüderlich-
keit zu verpflichten, verwandelte sich zwischen 1793 und
1794 in ein Regime der Angst, des Schreckens, der Unsi-
cherheit und Willkür. Denn die Brüderlichkeit ist, anders
als die bloß rechtliche Freiheit und Gleichheit des Ein-
zelnen, eine Tugend, eine innere Einstellung. Und Maxi-
milien de Robespierre wollte die Menschen umerziehen,
sie zu tugendhaften Bürgern machen. Sein Instrument:
la Grande Terreur
, die Herrschaft von Angst und Schre-
cken. Die Wahl, vor die er die Menschen stellt, war so
einfach wie grausam: Werde ein tugendhafter Bürger oder
stirb! Daher rührt auch der Begriff des Tugendterrors.
Für Robespierre war der Terror darum buchstäblich ein
Mittel der Gerechtigkeit: „Terror ist nichts anderes als
strenge und unbeugsame Gerechtigkeit.“
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Das Problem
war, dass der Nachweis echter, wahrhaftiger Tugendhaftig-
keit nicht zu führen war. Was umgekehrt bedeutete, dass
21 Entsprechend schätzen wir das Bedrohungspotenzial von radikal-isla-
mischen oder islamistischen Organisationen wie dem IS/
Daesh
heute
so hoch ein, weil sie (auch in den westlichen Gesellschaften) scheinbar
breite Unterstützung genießen und die damit zusammenhängende Ge-
fahr terroristischer Anschläge durch sogenannte „Schläfer“ oder radika-
lisierte und gewaltbereite Konvertiten praktisch nicht zu bannen ist.
22 Bock (wie Anm. 9), S. 20–23.
23 Louise Richardson: Was Terroristen wollen: die Ursachen der Gewalt und
wie wir sie bekämpfen können, Frankfurt am Main 2007, S. 27.
prinzipiell jeder mit seiner Verhaftung und Hinrichtung
rechnen musste. Ein falsches Wort oder der Hinweis eines
missgünstigen Nachbarn genügte. In den 13 Monaten, in
denen die
Grande Terreur
in Frankreich herrschte, wurden
tausende Menschen verhaftet und hingerichtet. Eines der
letzten Opfer war Robespierre selbst: Er wurde am 27. Juli
1794 durch die Guillotine enthauptet. Pierre Vergniaud,
selbst ein frühes Opfer des Tugendterrors, sollte Recht
behalten: „Die Revolution ist wie Saturn, sie frisst ihre
eigenen Kinder.“
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24 Bock (wie Anm. 9), S. 25.
Hinrichtung des Revolutionärs und Führer der Jakobiner, Maximilien de
Robespierre am 27. Juli 1794
Abbildung: ullstein bild/IBERFOTO