38
„Alle Terroristen sind Moslems“?
Einsichten und Perspektiven 4 | 16
Politische Gewalt
Als politische Gewalt will terroristische Gewalt die herr-
schende politische Ordnung verändern. Um aber ein
politisches oder öffentliches Ziel zu erreichen, ist breite
öffentliche Unterstützung notwendig – die freiwillig
oder erzwungen sein kann.
17
Die erzwungene Unterstüt-
zung terroristischer Gewalt ist Teil der gesellschaftlichen
und politischen Reaktion; diese kann beispielsweise ein
bestimmtes Wählerverhalten
18
oder eine bestimmte Reak-
17 Bock (wie Anm. 9), S. 18.
18 Ein eindrucksvolles Beispiel hierfür sind die Auswirkungen der Bomben-
anschläge vom 11. März 2004 auf den Ausgang der Wahlen in Spanien
nur drei Tage später. Die Prognosen hatten bis zu den Anschlägen einen
klaren Sieg der Regierung von José María Aznar vorausgesagt. Aznar, ein
starker Unterstützer der Irak-Politik von US-Präsident Bush, machte für
die Anschläge sofort die baskische Untergrundorganisation ETA verant-
wortlich, um einen Zusammenhang zwischen den Anschlägen und seiner
Irak-Politik zu vermeiden. Zu den Anschlägen, bei denen 191 Menschen
getötet und mehr als 2.000 verletzt wurden, bekannte sich aber eine Zelle
von al Qaida. Was Aznar unglaubwürdig machte und dem Oppositions-
führer José Zapatero die Unterstützung der Wähler einbrachte, war, dass
Zapatero mit dem Versprechen in den Wahlkampf gezogen war, die spa-
nischen Soldaten aus dem Irak abzuziehen. Am 14. März wurde er zum
neuen Ministerpräsidenten gewählt und kündigte den sofortigen Abzug
der spanischen Truppen aus dem Irak an, vgl. Bock (wie Anm. 9), S. 99 f.
tion der Regierung sein.
19
Gewalt ist hier lediglich ein
strategisches Mittel, das Terror erzeugen und, über die-
sen Umweg, die Öffentlichkeit manipulieren und Unter-
stützung erzwingen soll. Während diese Unterstützung
Teil der funktionalen Logik terroristischer Gewalt ist,
ist die freiwillige Unterstützung die eigentliche Einheit,
in der sich die Stärke einer terroristischen Organisation
bemisst.
20
Das Ausmaß der freiwilligen Unterstützung in Form
von Geldgebern, Freiwilligen oder (von Staaten oder Bür-
gern gewährten) Rückzugsräumen und Stützpunkten, ist
entscheidend für das spezifische „Bedrohungspotenzial“
der jeweiligen Gruppierung oder Organisation. Damit
wird eine psychologische Kategorie bezeichnet, die mit
der öffentlichen Wahrnehmung terroristischer Gewalt
korreliert und auf die die (tatsächliche oder vermeint-
liche) soziale Macht reflektiert, die eine Organisation
durch Unterstützer hat. Sie versetzt sie in die Lage, eine
19 Beispiele sind politische Verhandlungen zwischen den Regierungen und
den Vertretern terroristischer Organisationen – wie mit der Sinn Fein, dem
politischen Arm der IRA, oder der PLO.
20 Bock (wie Anm. 9), S. 56.
Dieses Bild wurde zur Ikone eines Folterskandals: ein (nicht-identifizierter) Häftling im Gefängnis Abu Ghraib. Das Bild löste eine Diskussion über die Folter
von Häftlingen aus.
Foto: picture alliance/AP Photo