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Der Russische Revolutionszyklus 1905–1932
Einsichten und Perspektiven 2 | 17
Die doppelte Angst, sowohl vor dem weiteren Ansehens-
verlust auf der internationalen Bühne als auch vor der
Revolution im Inneren, fungierte als mächtiger Reform
antrieb. Der zügige Staatsausbau und Industrieaufbau
wurde zur Staatsmaxime. Neue Projekte und Gesetze soll-
ten die Steuerungskräfte und die Zukunftsfähigkeit der
sozialen Ordnung stärken, um das alte Russland endlich
auf die neue Zeit einzustellen.
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Die unter Alexander II. als Modernisierung von oben
verfügten „Großen Reformen“ hoben nicht nur 1861 die
hinderliche Leibeigenschaft auf.
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Mit dieser längst über-
fälligen Bauernbefreiung gingen vielmehr auch andere
ambitionierte Modernisierungsvorhaben einher. In schnel-
28 Zum Reformzaren Alexander II. vgl. Heinz-Dietrich Löwe: Alexander II.
1815–1881, in: Hans-Joachim Torke (Hg.): Die Russischen Zaren 1547–1917,
München 1995, S. 315–338; Matthias Stadelmann: Die Romanovs, Stuttgart
2008, S. 170–200.
29 David Moon: The Abolition of Serfdom in Russia, 1762–1907, Essex 2001.
ler Abfolge folgten die Militär-, die Justiz-, Stadt- und
Universitätsreform sowie die Schaffung der Organe loka-
ler Selbstverwaltung in Stadt und auf dem Land. Erstmals
entstand eine ausgebaute Lokalverwaltung, die den sozia-
len Gruppen vor Ort eine gewisse politische Mitsprache
einräumte. Vor allem die ländliche Selbstverwaltung, die
sich in sogenannten
Zemstva
(Landschaftsvertretungen)
organisierte, wurde zu einer ersten Schule von Selbstbe-
stimmung und Partizipation.
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Mit den Großen Refor-
men ging es um nicht weniger als um den Versuch, den
Wandel des ständisch gebundenen Untertanenverbands
in eine Staatsbürgergesellschaft auf den Weg zu bringen.
Russland schüttelte seine frühneuzeitlichen Strukturen ab,
30 Dietrich Beyrau/Manfred Hildermeier: Von der Leibeigenschaft zur früh
industriellen Gesellschaft (1856-1890), in: Gottfried Schramm (Hg.):
Handbuch der Geschichte Russlands, Bd. 3: 1856–1945, Stuttgart 1983,
S. 5–201, hier S. 68–84; Terry Emmons/Wayne S. Vucinich (Hg.): The Zemstvo
in Russia. An Experiment in Local Self-Government, Cambridge/Mass. 1982.
Am 19. Februar 1861 verlas Zar Alexander II. das Manifest über die Bauernbefreiung und beendete damit die russische Leibeigenschaft.
Abbildung: picture alliance/akg