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„Ein Denkmal des Friedens und der Arbeitskraft des Deutschen Reiches“

Einsichten und Perspektiven 1 | 17

Obwohl diese Absprache allmählich an Wirkung verlor,

weil die Nachfrage nach Petroleum sank, während sie bei

Benzin, Heizöl und Dieselkraftstoff stark wuchs, war die

Dynamik der Entwicklung vom Anfang des Jahrhunderts

vorbei. Und nicht nur der Wirtschaft Regensburgs, son-

dern der ganz Bayerns drohten nun neue Gefahren.

Der Grund dafür, dass sich die Deutsche Bank aus dem

Petroleumgeschäft zurückgezogen hatte, war ihr gesteiger-

tes Engagement im Osmanischen Reich. Dies erfolgte, wie

auch schon das im rumänischen Erdölgeschäft, vorrangig

im nationalen Interesse. Denn es sollte die Versorgung des

Reiches mit Mineralöl im Krisen- und Kriegsfall sichern,

konnte man doch auf rumänisches Erdöl auch dann

zurückgreifen, wenn die Zufuhr über das Meer gesperrt

wurde. Mineralöl aber war überlebenswichtig, denn das

Militär setzte immer mehr motorisierte Fahrzeuge ein,

und beim Schiffsantrieb verdrängte es die Kohle. So

wurde 1912 die Umstellung der englischen Kriegsflotte

von Kohle- auf Ölfeuerung angeordnet.

Der Zugriff auf Erdölvorkommen war daher für alle

Nationen von allergrößter Bedeutung. Das war auch

einer der Gründe, warum Kaiser Wilhelm II. die Annä-

herung an das Osmanische Reich forcierte, und dabei

bediente er sich auch der Deutschen Bank: „Die deut-

sche Bank verfolgte in dieser Zeit eine Politik der wirt-

schaftlichen Durchdringung Südosteuropas und des

Nahen Ostens. Herausragende Projekte dabei waren ihre

Investitionen in die Steaua Romana und der Bau der

Bagdadbahn. Das ambitionierte Bahnprojekt wie auch

ihre Rolle bei der Gründung der Türkischen Petroleum

AG war ein Beleg für die langfristig gedachte Strategie,

sich an der Erschließung großer Ölreserven im Nahen

Osten zu beteiligen. […] Der Schriftwechsel der Deut-

schen Bank mit den Reichbehörden ist bisweilen als

Beleg dafür interpretiert worden, dass die Bank halb-

offiziell im Auftrag der deutschen Regierung handelte

und sich vor den Karren imperialer Politik spannen ließ.

Die Bank ihrerseits verneinte politische Absichten und

betonte ihre ausschließlich wirtschaftlichen Ziele. Beide

Sichtweisen sind einseitig. Die Wahrheit liegt irgendwo

dazwischen. Bei dem gesamten Projekt war ein klare

Trennung zwischen wirtschaftlichen und politischen

Interessen gar nicht möglich.“ 

12

12 Karlsch/Stokes (wie Anm. 10), S. 74.

Ansicht der 1913 gegründeten „Ölwerke J. Leis & J. Ruckdeschel G.m.b.H.“ im geplanten Ausbauzustand. Dieses im Osten des Petroleumhafens angesiedelte

Unternehmen (man beachte die Walhalla im Hintergrund!) betrieb eine Raffinerie, in der die aus Rumänien bezogenen Rohprodukte zu unterschiedlichen

Fertigprodukten wie Benzin, Maschinenöl und Schmierfett weiterverarbeitet wurden. Einer ihrer Hauptabnehmer war die Bayerische Staatsbahn.

Foto: entnommen aus: Handelskammer Regensburg (Hg.): Die Industrie der Oberpfalz in Wort und Bild, 1914, S. 158