62
„Ein Denkmal des Friedens und der Arbeitskraft des Deutschen Reiches“
Einsichten und Perspektiven 1 | 17
Obwohl diese Absprache allmählich an Wirkung verlor,
weil die Nachfrage nach Petroleum sank, während sie bei
Benzin, Heizöl und Dieselkraftstoff stark wuchs, war die
Dynamik der Entwicklung vom Anfang des Jahrhunderts
vorbei. Und nicht nur der Wirtschaft Regensburgs, son-
dern der ganz Bayerns drohten nun neue Gefahren.
Der Grund dafür, dass sich die Deutsche Bank aus dem
Petroleumgeschäft zurückgezogen hatte, war ihr gesteiger-
tes Engagement im Osmanischen Reich. Dies erfolgte, wie
auch schon das im rumänischen Erdölgeschäft, vorrangig
im nationalen Interesse. Denn es sollte die Versorgung des
Reiches mit Mineralöl im Krisen- und Kriegsfall sichern,
konnte man doch auf rumänisches Erdöl auch dann
zurückgreifen, wenn die Zufuhr über das Meer gesperrt
wurde. Mineralöl aber war überlebenswichtig, denn das
Militär setzte immer mehr motorisierte Fahrzeuge ein,
und beim Schiffsantrieb verdrängte es die Kohle. So
wurde 1912 die Umstellung der englischen Kriegsflotte
von Kohle- auf Ölfeuerung angeordnet.
Der Zugriff auf Erdölvorkommen war daher für alle
Nationen von allergrößter Bedeutung. Das war auch
einer der Gründe, warum Kaiser Wilhelm II. die Annä-
herung an das Osmanische Reich forcierte, und dabei
bediente er sich auch der Deutschen Bank: „Die deut-
sche Bank verfolgte in dieser Zeit eine Politik der wirt-
schaftlichen Durchdringung Südosteuropas und des
Nahen Ostens. Herausragende Projekte dabei waren ihre
Investitionen in die Steaua Romana und der Bau der
Bagdadbahn. Das ambitionierte Bahnprojekt wie auch
ihre Rolle bei der Gründung der Türkischen Petroleum
AG war ein Beleg für die langfristig gedachte Strategie,
sich an der Erschließung großer Ölreserven im Nahen
Osten zu beteiligen. […] Der Schriftwechsel der Deut-
schen Bank mit den Reichbehörden ist bisweilen als
Beleg dafür interpretiert worden, dass die Bank halb-
offiziell im Auftrag der deutschen Regierung handelte
und sich vor den Karren imperialer Politik spannen ließ.
Die Bank ihrerseits verneinte politische Absichten und
betonte ihre ausschließlich wirtschaftlichen Ziele. Beide
Sichtweisen sind einseitig. Die Wahrheit liegt irgendwo
dazwischen. Bei dem gesamten Projekt war ein klare
Trennung zwischen wirtschaftlichen und politischen
Interessen gar nicht möglich.“
12
12 Karlsch/Stokes (wie Anm. 10), S. 74.
Ansicht der 1913 gegründeten „Ölwerke J. Leis & J. Ruckdeschel G.m.b.H.“ im geplanten Ausbauzustand. Dieses im Osten des Petroleumhafens angesiedelte
Unternehmen (man beachte die Walhalla im Hintergrund!) betrieb eine Raffinerie, in der die aus Rumänien bezogenen Rohprodukte zu unterschiedlichen
Fertigprodukten wie Benzin, Maschinenöl und Schmierfett weiterverarbeitet wurden. Einer ihrer Hauptabnehmer war die Bayerische Staatsbahn.
Foto: entnommen aus: Handelskammer Regensburg (Hg.): Die Industrie der Oberpfalz in Wort und Bild, 1914, S. 158