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Das deutsch-italienische Anwerbeabkommen vom 20. Dezember 1955
Einsichten und Perspektiven 4 | 15
der Hauptgegenstände der deutsch-italienischen Wirt-
schaftsverhandlungen werden. Trotzdem entwickelte sich
die italienische Handelsbilanz gegenüber der Bundesrepu-
blik bis Anfang 1954 dermaßen defizitär, dass die italie-
nische Seite unter massiven Handlungsdruck geriet und
„mit allen Mitteln“ nach einem Ausgleich suchte.
In Anbetracht eines temporären Defizits von fast
einer Mrd. US-Dollar wurden in den nun stattfinden-
den deutsch-italienischen Verhandlungen die Fragen des
Imports von Obst, Gemüse und Wein aus Italien sowie
einer intensiven Steigerung des Reiseverkehrs nach Ita-
lien rasch zu untergeordneten Gesprächsgegenständen.
Angesichts der zugleich anhaltend hohen Arbeitslosigkeit
in Italien schlugen die italienischen Vertreter der deut-
schen Delegation deshalb vielmehr die Entsendung von
italienischen Arbeitskräften vor, um mit deren D-Mark-
Überweisungen das Defizit abbauen und weiter mit der
Bundesrepublik Handel treiben zu können.
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Die einzige
Alternative hierzu hätte für Italien in der Rückkehr zu
23 Vgl. BA Koblenz, B149/22333. Niederschrift der U.Abteilung II b mit Ge-
schäftszeichen II b 4 – 2472 – vom 14. April 1954.
restriktiver, der europäischen wirtschaftlichen Integration
entgegenlaufender Handelspolitik bestanden.
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Nicht
zuletzt die Bundesrepublik hätte damit weniger Waren
exportieren, folglich weniger Wohlstand schaffen können.
Im Gegensatz zur italienischen Arbeitsmigration nach
Frankreich, die infolge französischer Devisenschwäche
maßgeblich durch das französische Finanzministerium
definiert wurde, konnte in der Bundesrepublik durch den
komfortablen Außenhandelsüberschuss das Auswärtige
Amt zum bestimmenden Akteur werden. Dieses vertrat
die Auffassung, die Frage der italienischen Arbeitsmigra-
tion habe ihre Wurzel „in der allgemeinen Problematik der
deutsch-italienischen Wirtschaftsbeziehungen […] und
[sei] für die weitere Gestaltung dieses Verhältnisses von
massgeblicher [sic!] Bedeutung“.
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Rückendeckung erhielt
24 Vgl. PA Berlin, B 85 (2. Abgabe)/548. Der Bundesminister für Arbeit, II b
4 – 2472, vom 25. Juli 1954. Vermerk über die am 2. und 9. Juli 1954 mit
dem Handelsattaché der italienischen Botschaft in Bonn, Dr. Morante,
stattgefundenen Besprechungen über die Durchführung der deutsch-
italienischen Gastarbeitnehmervereinbarung und die Beschäftigung ita-
lienischer Arbeitskräfte in der Bundesrepublik Deutschland.
25 BA Koblenz, B 149/6228. Vermerk des RD Dr. Sicha, Abteilung II, Ge-
schäftszeichen II b 4 – 2472 – vom 7. Januar 1955.
Italiener melden sich beim „Centro di Emigrazione“ in Verona für eine Arbeitsstelle in Deutschland, 1960.
Foto: SZ Photo/Fotograf: Jenö Kovacs