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Historische Darstellungen in Computerspielen

Einsichten und Perspektiven 4 | 15

Historische Darstellung in Computerspielen

Nach diesen Vorarbeiten können wir nun die Frage nach

den Geschichts- und Gesellschaftsbildern in Computer-

spielen untersuchen. Neben fiktiven Themen, die sich

narrativ an den gängigen Genres orientieren – Fantasy,

Science-Fiction, Horror, Western, Abenteuer etc. – sind

historische Settings sehr beliebt, weil sie zahlreiche Refe-

renzen aufrufen, die im Spiel nicht weiter erläutert wer-

den müssen. Das Interesse der Computerspiel-Designer

an Geschichte galt lange Zeit den Geschichten, mit denen

sie die Spielmechaniken narrativ kontextualisieren und

audiovisuell präsentieren konnten.

Wie im vorangehenden Abschnitt begründet, bevor-

zugen auch historisierende Computerspiele als Themen-

schwerpunkte die großen und kleinen Konflikte. Die aus

historischer Sicht verhältnismäßig kurze Geschichte der

Vereinigten Staaten von Amerika ist neben allen ande-

ren Mediengattungen auch im Computerspiel sehr prä-

sent, beginnend von den ersten Kontakten mit Europä-

ischen Conquisitatoren

(American Conquest

, cdv 2002),

der Unabhängigkeitserklärung

(Birth of America

, Ageod

2006), demBürgerkrieg

(SidMeier’s Gettysburg!

, EA 1997),

der konfliktreichen Besiedlung des Westens (

Red Dead

Revolver

, Rockstar 2004), den Gangs der 1920erJahre

(Gangsters

, Eidos 1998), dem Zweiten Weltkrieg

(Call

of Duty, Activision 2003

u.v.m.), dem Kennedy-Attentat

(JFK Reloaded

, Traffic Games 2004), dem Vietnam-Krieg

(Shellshock Nam ’67,

Eidos 2004), dem ersten

(Conflict

Desert Storm,

SCi 2003) und zweiten Irakkrieg

(Six Days

in Fallujah

, Atomic Games). Insbesondere das letzte Spiel

verdeutlicht die kontroverse Wahrnehmung von Com-

puterspielen als historiographisches Medium: Im Gegen-

satz zu zahllosen „Military-Shootern“ wollte der Ent-

wickler Atomic Games den US-amerikanischen Angriff

auf Falludscha im Jahr 2004 als realistisches und damit

auch als kriegskritisches Ereignis darstellen und erlebbar

machen. Unterstützt wurde die Entwicklung von zahlrei-

chen Kriegsveteranen, die in Interviews ihre persönlichen

Erfahrungen aus dem Kriegsgebiet in den Spielverlauf ein-

fließen ließen und damit den Rahmen dessen zu erweitern

suchten, was Computerspiele medial verarbeiten können.

Das Spiel wurde jedoch bis heute nicht veröffentlicht, aus

Sorge des japanischen Publishers Konami, dass ein Spiel

nicht das geeignete Medium sei, um Geschichte doku-

mentarisch aufzubereiten.

Historische Themen in Computerspielen entwickeln

sich in aller Regel um Kämpfe und Kriege. Damit stehen

sie freilich nicht allein: Die Darstellung von Geschichte

als Abfolge großer Schlachten ist der Geschichtsdidak-

tik keineswegs fremd, prägte sie doch für lange Zeit den

Geschichtsunterricht, der mit Merksätzen wie „Drei –

drei – drei, bei Issos Keilerei“ historische Vorstellungen

Screenshot aus dem Spiel „Call of Duty“

Bild: Popular Communication GmbH