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Historische Darstellungen in Computerspielen
Einsichten und Perspektiven 4 | 15
halb ihrer jeweiligen Spielwelten einsetzen. Menschen
können schon in jüngsten Jahren den magischen Kreis der
Spielwelt von ihrer übrigen Lebenswelt unterscheiden und
spielerische von nicht-spielerischer Gewalt trennen.
8
Aber auch unterhalb dieser Spirale audiovisueller Über-
bietung, befürchteter Wirkung und konstatierter Wir-
kungslosigkeit auf die Spieler bleibt die Beobachtung, dass
sehr viele Spiele gewalthaltige Konfliktlösungen anbie-
ten. Kaum ein erfolgreiches Action-Adventure kommt
ohne Waffen aus, und auch die oben erwähnten Aufbau-
und Strategiespiele simulieren überwiegend Kriegs- und
Kampfszenarien, die meisten Jump’n’Run-Spiele haben
Gegnertypen, die nur mit Waffeneinsatz überwunden
werden können oder zumindest durch schwere Objekte,
die auf sie geworfen werden. Woher kommt also diese
ganze, wenngleich immer spielerische und oft comichaft
überzeichnete Gewalt?
Der Grund hierfür ist nicht nur eine historischer –
weil Spiele das immer schon gemacht haben – sondern
auch ein technischer, hierin folge ich der Argumentation
von Chris Franklin.
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Computerspiele sind künstlerische
Simulationen realer oder fiktiver Welten, es sind regel-
basierte Systeme, wobei die Einhaltung der Regeln von
einem Computer sicher gestellt wird und damit dessen
technischen Einschränkungen unterliegen. Computer
sind hervorragend geeignet, Daten in Form von Zahlen
miteinander zu vergleichen und zu verrechnen. Deutlich
schlechter eignen sie sich für die Bewertung kreativer Ent-
scheidungen, für anregende Unterhaltungen oder für dar-
stellende Imitations-Spiele. Die grafische Repräsentation
von Zahlen erfolgt am einfachsten in Form von Tabellen
oder als räumliche Koordinaten. Da tabellenbasierte Spiele
wie „Fußball-Manager“ (Bright Future, 2001–2013) oder
„Crusader Kings 2“
(Paradox Interactive, 2012)
sowohl im
Zugang als auch im Gameplay außerordentlich spröde
sind, basiert die Mehrzahl aller Computerspiele auf einer
Bewältigung raumbezogener Probleme. Menschen haben
in ihrer Umwelt viele Interaktions- und Kommunikati-
onsmöglichkeiten, in computergesteuerten Umgebungen
hingegen sind diese Optionen deutlich eingeschränkter.
Die zentralen Regeln der meisten grafischen Compu-
terspiele ist daher die Abfrage der Identität von Objekt-
Koordinaten, die als Kollision registriert wird: Landet
die Spielfigur auf der Plattform oder daneben?, fährt das
8 Dietrich Dörner: „Killerspiele“ und Gewalt, 2010, S. 15f., vgl. https://www.
uni-bamberg.de/fileadmin/ba2dp4/PDF/Killerspiele.pdf[Stand: 27.11.2015].
9 Chris Franklin: Violence In Games, 2012; vgl.
https://www.youtube.com/watch?v=wSBn77_h_6Q [Stand: 27.11.2015].
Rennauto auf der Straße oder gegen die Streckenbegren-
zung?, ist das Feld frei oder bereits besetzt? Und: Trifft ein
Schuss, Schlag oder Tritt sein Ziel oder daneben?
Nun ist die Feststellung, dass Regelsysteme von Com-
puterspielen vor allem auf Kollisionsabfragen von Spielob-
jekten basieren, für die Werkinterpretation so wenig aus-
sagekräftig wie die Beobachtung, dass Filme vor allem eine
schnelle Abfolge von Bildern sind. Dennoch erklärt sie die
Tendenz vieler Spiele, ihre Herausforderungen in Form
von Kollision zu lösen. „
It reminds me of that moment from
a few years back when Cliff Bleszinski admitted that the real
reason so many games revolve around shooting is that shoo-
ting is one of the only interactions games can really nail at
present
.”
10
Dem wäre hinzuzufügen, dass sich inzwischen
eine zweite Interaktionsform in 3D-Räumen etabliert hat:
die Exploration, bei der eingebettete Geschichten ent-
deckt, rekonstruiert und erfahren werden. So atmosphä-
risch beeindruckend diese Exploration Games auch sind,
aus spielerischer Sicht überzeugen sie nur selten, und wer-
den daher auch etwas verächtlich als „Walking Simulator”
oder „
Not-Games
” bezeichnet, um sie von den üblichen,
kollisionsreicheren Spielerfahrungen mit komplexerem
Regelwerk abzugrenzen.
Zusammenfassend lässt sich in diesem Abschnitt fest-
halten, dass viele Spiele, aber längst nicht alle, gewalthal-
tige Handlungsoptionen anbieten, die im Rahmen des
Spielverlaufs aber nicht die gleiche Funktion haben wie
Gewalt in nicht-interaktiven Erzählungen. Vielmehr geht
es um spielerische Herausforderungen in virtuellen Räu-
men, die Gewalt ist dabei eine Visualisierung des Entfer-
nens gegnerischer Spielfiguren. Natürlich geht es auch um
den erhöhten Verkaufswert, den martialische Bilder mit
sich führen, aber hierin unterscheiden sich Spiele nicht
von anderen Unterhaltungsmedien. Bei normaldispo-
nierten Spielern, die sich in einem den Medieninhalten
angemessenen Alter befinden, ist keinesfalls zu befürch-
ten, dass gespielte Gewalt auf Verhalten oder Einstellung
gegenüber echter Gewalt abfärbt, weil bei einem mündi-
gen Mediennutzer beide Lebensbereiche klar voneinander
getrennt werden können.
10 Christian Donlan: Touch the future: meet the games embracing the
material world, (2014), vgl.
http://www.eurogamer.net/articles/2014-10-04-touch-the-future-meet-the-games-embracing-the-material-
world [Stand: 27.11.2015].