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Historische Darstellungen in Computerspielen

Einsichten und Perspektiven 4 | 15

Computerspiele als Medium

Computerspiele sind ein komplexes Medium, im latei-

nischen Wortsinn von

com

(mit) und

plectere

(flechten)

zusammengefügt aus verschiedenen Bestandteilen, die auf

vielfältige Weise miteinander in Bezug stehen. Auf eine

knappe Formulierung gebracht, lässt sich das Medium wie

folgt bestimmen: Computerspiele sind computergestützte,

regelbasierte Präsentationen realer oder fiktiver Welten, in

denen durch die Handlungen eines oder mehrerer Spieler

ein Spielverlauf hervorgebracht wird, der als Geschichte

erzählt werden kann.

Am auffälligsten sind dabei die audiovisuellen Präsenta-

tionen und die erzählten Geschichten, nicht zuletzt, weil

beide zum Vergleich mit dem Medium Film einladen.

Daneben gibt es aber noch die Aspekte der Spielregeln, die

im Zusammenhang mit Computerspielen auch als

Spiel-

mechanik

bezeichnet werden sowie die Handlungen des

oder der Spieler, durch die der Spielverlauf erst ermöglicht

wird. Die medienwissenschaftliche Analyse eines Compu-

terspiels untersucht die Bedeutungsangebote, die durch das

Werk geschaffen werden, stellt sie in ihren technischen und

historischen Kontext und kann daraus eine Interpretation

der immanenten Aussagen begründen. Im Falle von Com-

puterspielen müssen für eine integrative Analyse zahlreiche

Ebenen berücksichtigt und aufeinander bezogen werden. 

1

Sie sollen im Folgenden kurz erläutert werden.

Computerspiele benötigen

Computertechnik

. Die techni-

sche Verfasstheit spielt bei keinem Medium eine so große

Rolle wie bei Computerspielen. Nicht nur die Produk-

tion und Wiedergabe, auch die Berechnung der Inhalte

ist technisch bedingt. Die Geschichte der Computerspiele

und ihrer medialen Ausdrucksformen ist gekoppelt an

die technische Entwicklung von Computern, sowohl der

Hardware–Prozessoren, Grafik-, Soundkarten, Speicher-

technologien und Peripheriegeräte – als auch der Soft-

ware – Algorithmen, mit denen die Hardware effizient

genutzt werden kann. Die Prozessorenleistung

bestimmt

die Anzahl der Spielobjekte, die gleichzeitig berechnet wer-

den kann. Höhere Rechenleistung bedeutet schnellere oder

umfangreichere Verarbeitung der Spielereingaben, wodurch

die Spielwelten größer und vielschichtiger werden. Seit gut

20 Jahren wird die Berechnung der Spielgrafik auf spezielle

Grafikhardware ausgelagert, die denselben Produktlebens-

zyklen unterliegt wie die Hauptprozessoren. Das Resultat

ist eine immer detaillierte und realistischere Darstellung der

1 Jochen Koubek: Zur Medialität des Computerspiels. In: Jochen Koubek,

Michael Mosel, Stefan Werning (Hg.): Spielkulturen. Computerspiele in

der Gegenwartskultur und im Alltagsdiskurs, vwh 2013, S. 17–32.

Spiele, die z.B. bei Rennspielen stellenweise nicht mehr von

TV-Live-Übertragungen zu unterscheiden sind. Ähnliches

gilt für die Audioausgabe, die sich von einfachen Pieps-

tönen zu realistischem 3D-Surround-Sound entwickelt hat.

Damit die Ausgabehardware die umfangreichen Welten

audiovisuell darstellen können, müssen sie von Datenspei-

chern mit hoher Kapazität und schneller Zugriffszeit zur

Verfügung gestellt werden. Der Übergang von Disketten zu

CDs Anfang und zu DVDs Mitte der neunziger Jahre zeigte

sich im Einsatz von Filmausschnitten, hochaufgelösten Bil-

dern und orchestralem Soundtrack, auch die seit Mitte der

2000er Jahre eingesetzten Blu-ray-Datenträger mit Kapazi-

täten von bis zu 50 Gigabyte werden von größeren Spielen

ausgenutzt, insbesondere für umfangreiche Filmsequenzen.

Durch die technischen Grundlagen ist es Computerspielen

möglich, die Ausdrucksformen anderer Medien zu nutzen,

allen voran Bild und Film.

Der Spielablauf eines Computerspiels muss in irgend-

einer Weise ausgegeben werden, damit der Spieler auf

die dargestellten Ereignisse reagieren kann. Die Dimen-

sion der

Präsentation

verweist zunächst einmal auf den

Umstand, dass nahezu alle Computerspiele eine audio-

visuelle Ausgabe in Form von Klängen und Bildern bzw.

Bewegtbildern haben. Gerade in diesem Bereich wird der

technische Fortschritt der Spiele besonders deutlich, wie

Übersichten zu den grafischen Leistungsfähigkeiten von

Spielen eindrucksvoll belegen. 

2

Im Gegensatz zum Spielfilm liegt die Funktion dieser

Klänge und Bilder jedoch nicht allein in der Darstellung

von Ereignissen einer Erzählung, sondern ganz wesent-

lich auch darin, dem Spieler eine Rückmeldung über die

Ergebnisse seiner Handlungen und über den Zustand der

Spielwelt zu geben. Die Interpretation und Bewertung der

Spielpräsentation birgt für Nicht-Spieler daher die größte

Quelle für Missverständnisse, denn ihre Bilder sind auch

ohne das Spielerlebnis in Zeitschriften, Webseiten oder

Fernsehen und Webvideos zugänglich. Verkürzt wäre es

dann aber, sie, analog zum Film, ausschließlich als Aus-

druck einer Erzählhandlung zu sehen. Darauf wird im

zweiten Abschnitt einzugehen sein.

Die meisten Computerspiele haben zwar eine

Narra-

tion

, eine Erzählung, welche die Handlungen der Spieler

einrahmt und den Geschehnissen auf dem Bildschirm

Bedeutung verleiht. Sie steht jedoch nur selten im Mittel-

punkt des Spielerlebnisses. Um später jedoch zu verstehen,

2 Vgl. Stuart Brown: A History of Video Game Graphics.

https://www.youtube

.

com/watch?v=QyjyWUrHsFc [Stand: 25.11.2015].