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„Sie hatten die Schnauze voll von diesem toten, öden Land …“
Einsichten und Perspektiven 4 | 15
klar, aber fünfmal mehr im Osten! Dazu kommt, dass in
Ostdeutschland noch immer viel weniger Ausländer leben
als im Westen. Die Ressentiments betrafen früher nicht
nur Fremde, sondern alle, die von der Norm abwichen,
wie z.B. Behinderte. In der DDR gab es nicht eine einzige
Schräge zum Beispiel für Rollstuhlfahrer, sondern auch kei-
ne behindertengerechten Einrichtungen.
Landeszentrale:
Was einem neu vorkommt und schockiert,
sind Tabubrüche in der Art und Weise zu demonstrieren,
zum Beispiel, dass Demonstranten nicht davor zurück-
scheuen, die Bundeskanzlerin mit einem Galgen abzubilden.
Klier:
Ja, das ist beunruhigend. In Meißen wurde randa-
liert: „Der Dreck muss weg.“ – Damit waren Menschen
gemeint. Da schäme ich mich für diesen Dialekt, der ja
auch der meine ist. Was hätten wir in 25 Jahren schon al-
les ändern können, es ist viel zu wenig passiert. Allerdings
sind auch die Medien mit verantwortlich. Meines Erach-
tens bekommen die Pegida-Demonstrationen eine viel zu
große Bühne.
Landeszentrale:
Fünf Stichworte, zu denen Sie bitte frei
assoziieren:
… Frauenquote …
Klier:
Interessiert mich nicht. Ich finde, dass wir durch
Leistung etwas erreichen sollten und nicht durch eine Quote.
Frauen, die gut sind, setzen sich meistens auch durch. Ich
bin auch nie Feministin gewesen. Ich habe große Sympa-
thien für Frauen, vor allem für solche, die nicht andere
wegboxen wollen, sondern solidarisch miteinander sind.
… Ihr Lieblings-DDR-Schriftsteller und Ihr Lieblingsbuch …
Klier:
Mein Lieblings-DDR-Buch ist „Franziska Linker-
hand“ von Brigitte Reimann. Ich liebe Camus und Rilke-
Gedichte und habe viel russische Literatur gelesen. Ansons-
ten interessieren mich vor allem kluge und gut geschriebene
Sachbücher. Ich bin kein Romanleser.
… Ihre Lieblingsgestalt in der Geschichte?
Klier:
Da gibt es sicher mehr als eine, aber Jesus Christus
kommt ganz vorne.
Was macht Freya Klier in 20 Jahren?
Klier:
Wenn ich dann noch lebe, versuche ich weiter Do-
kumentarfilme zu machen, Bücher zu schreiben und mit
Schülern zu arbeiten, wenn das dann noch geht. Ich habe
das Glück, Dinge tun zu können, die mir wichtig sind.
Das ist ein großes Glück.
Landeszentrale:
Danke für das Gespräch!
Auszeichnung mit dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland, 4. Oktober 2012
Foto: Bundesregierung/Gero Breloer