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Von Elser und seinem Bild in den Augen der anderen

Einsichten und Perspektiven 3 | 15

worden waren: Sigismund Payne Best und Richard Henry

Stevens. Sie wurden als Beweis präsentiert, dass England

„den Führer“ hatte beseitigen wollen.

Häftling Elser

Nach der Festnahme in Konstanz wurde Elser nach Mün-

chen ins Wittelsbacher Palais am Ende der Türkenstraße

gebracht, wo er verhört, geschlagen, gefoltert wurde, bis

er in der Nacht vom 14. auf 15. November 1939 gestand,

der alleinige Attentäter zu sein. 

28

Das glaubten ihm zwar

die Kriminalbeamten, vor allem Reichskriminaldirektor

Arthur Nebe, aber offiziell wollte das niemand hören.

Dass so ein einfacher Mann mutterseelenallein eine derar-

tige Tat durchführen konnte, warf kein gutes Licht auf die

Gestapo und die „alten Kämpfer“.

Dafür erweiterten die Nazis ihre Täter-Legende: England

war schuld, ganz klar, Organisator war aber, behaupteten

sie, Ex-Nationalsozialist und Führer der „Schwarzen Front“,

Otto Strasser, der von der Schweiz aus das Attentat organi-

siert und sich Elsers bedient habe, der aus diesem Grund in

die Schweiz habe „zurückkehren“ wollen. Sie sprachen von

dem „jüdischen Ohrenbläser“ und meinten damit die „jüdi-

sche Weltverschwörung“, die hinter allem stecken würde.

Und wie reagierten die Deutschen, als sie vom Anschlag

erfuhren? Offiziell waren alle glücklich, dass „die Vor-

sehung“ den „geliebten Führer wie durch ein Wunder“

gerettet hatte. 

29

Er habe schließlich noch seine „Mission“

zu erfüllen, ließ die Nazi-Presse verlautbaren. Dankesgot-

tesdienste wurden abgehalten, Glückwunschtelegramme

geschickt, u.a. auch vom Münchner Kardinal Faulhaber. 

30

Die nachdenklichen Deutschen fragten sich, ob der

Anschlag nicht vielleicht eine Provokation des Regimes

gewesen sein könnte, um etwas anderes, Schlimmeres zu

rechtfertigen. Sie erinnerten sich an das Attentat eines

jüdischen Täters auf den deutschen Diplomaten Ernst

von Rath am 7. November 1938 in Paris, das als Vorwand

für die sogenannte „Reichskristallnacht“ 1938 herhalten

musste, oder an die angebliche Besetzung des Senders

28 Ebd.

29 Vgl. Steinbach/Tuchel, S. 96.

30 Vgl. Rudolf Reiser: Kardinal Michael von Faulhaber. Des Kaisers und des

Führers Schutzpatron, München 2000, S. 66 f.

Bericht vom Völkischen Beobachter vom 22. November 1939 mit dem Porträt-

foto des Gefolterten

Quelle: Gedenkstätte Deutscher Widerstand

Elser erklärt Arthur Nebe das Attentat (nachgestellte Szene).

Foto: Gedenkstätte Deutscher Widerstand/Bayerische Staatsbibliothek

München/Bildarchiv