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Von Elser und seinem Bild in den Augen der anderen

Einsichten und Perspektiven 3 | 15

recht damit; sie handeln völlig instinktsicher. Der passt

nicht zu ihnen“.

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Anders als die Kreise um den „20. Juli“ und die „Weiße

Rose“, hatte Elser noch Jahrzehnte nach Kriegsende keine

Lobby, niemanden, der sich dafür einsetzte, ihm den Platz

in der Geschichte des deutschen Widerstandes zu erkämp-

fen, der ihm gebührte.

Zäher Wandel des Elserbildes

Als in den 1950er Jahren zwei Journalisten, Erwin Roth

und Günter Peis, über den Einzeltäter Elser schrieben,

erweckte das kein großes Interesse. Erst, als ein Historiker

am Institut für Zeitgeschichte inMünchen, Lothar Gruch-

mann, bei Recherchen zur Justiz im „Dritten Reich“ 1964

zufällig auf die Berliner Verhörprotokolle Elsers stieß und

sie veröffentlichte, setzte bei einigen wenigen ein Umden-

ken ein. 

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Ein langsames Umdenken.

Ab Ende der 1960er Jahre tauchten Filme, Stücke und

Bücher über ihn auf: Einer der wichtigsten Filme über

Elser, ein dokumentarisches Fernsehspiel von Rainer Erler

mit dem Titel „Der Attentäter“ von 1969 hatte nicht die

Wertschätzung erfahren, die er verdient gehabt hätte. 1982

veröffentlichte Peter Paul Zahl sein Theaterstück: „Johann

Georg Elser – ein deutsches Drama“ und inszenierte es in

Heidenheim. Gerhard Majer, Schauspieler und Mitglied

im Georg-Elser-Arbeitskreis Heidenheim, der auch ein

Stück „Schorsch“ geschrieben hatte, beschwerte sich, dass

Zahl Szenen, die in seiner Heimat spielten, bei ihm abge-

schrieben habe.

Erstaunlich war, dass Bundeskanzler Kohl bei seiner

Ansprache zum „20. Juli“ 1984 in der Gedenkstätte Deut-

scher Widerstand in Berlin auch Elsers gedachte. Er bezeich-

nete ihn als „erfolglosen Attentäter“. Zehn Jahre später

erwähnte er ihn wieder, verzichtete aber diesmal auf die

Bezeichnung „erfolglos“.

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Wer sich schon lange engagiert für Elser eingesetzt

hatte, war der Schriftsteller Rolf Hochhuth. In seinem

Elsergedicht von 1987 heißt es am Schluss: „Das Volk

liebt zwar die Freiheit – doch nicht jene, die sterben, um

es zu befreien“. 

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Er hatte sich maßgeblich für ein Elser-

Denkmal in Berlin eingesetzt, das 2011 eingeweiht wurde,

17 Meter hoch, in der Wilhelmstraße.

1989 kam der Film „Georg Elser – Einer aus Deutsch-

land“ in die Kinos. Hauptdarsteller und zum ersten Mal

auch Regisseur war Klaus Maria Brandauer.. Dieser –

bekannt als genialer Darsteller von bösen (Mephisto) oder

zerrissenen (Wallenstein) Charakteren entspricht darin so

gar nicht dem stillen, bescheidenen Elser; was als „Doku-

mentarfilm“ daherkommt, weist schlicht diverse Fehler

auf, die man einem Spielfilm eher verzeihen würde.

Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre begann sich lang-

sam eine Art Lobby für Elser zu bilden. Wichtige Impulse

gingen von der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in

Berlin (Ausstellungen, Kataloge, Vorträge, Schriften von

den Leitern Steinbach und Tuchel), später von der Elser-

Gedenkstätte in Königsbronn mit ihrem Leiter Joachim

Ziller, den sich bildenden Elser-Initiativen und dem Elser-

Arbeitskreis in Heidenheim aus.

Schriftsteller nahmen sich plötzlich des Themas an,

bissen sich geradezu daran fest: Hellmut Haasis, Helmut

Ortner, Andreas Grießinger, Ulrich Renz und immer

wieder Peter Steinbach und JohannesTuchel. Schüler

schrieben auf einmal Facharbeiten über ihn, für Studen-

ten wurde er zum Prüfungsthema, Musikstücke wurden

komponiert. Fernseh- und Radiosendungen (z.B. „Hit-

lers wahrer Gegenspieler“ 1996 von der Autorin), Thea-

terstücke wie „Elser – Allein gegen Hitler“ von Huby/de

Lazzer 2009 und neue Filme wie „Elser – Er hätte die

Welt verändert“ aus dem Jahr 2015 interessierten auf ein-

mal ein breiteres Publikum. 1998 hatte der Staatssekre-

tär im Wissenschaftsministerium Baden-Württembergs,

Christoph Palmer, bei seiner Rede zur Eröffnung der

Elser-Gedenkstätte ihn als „einen von Baden-Württem-

bergs größten Söhnen“ bezeichnet. Und nicht nur Baden-

Württembergs.

44 Zit. nach Steinbach/Tuchel (wie Anm. 1), S. 101.

45 Ebd., S. 103 f.

46 Zit. nach Steinbach/Tuchel (wie Anm. 1), S. 105 f.

47 Rolf Hochhuth: War hier Europa?, Reden, Gedichte, Essays, München 1987.