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Von Elser und seinem Bild in den Augen der anderen
Einsichten und Perspektiven 3 | 15
Gefangener Elser
Als Hitlers „persönlicher Gefangener“ kamElser in die Kon-
zentrationslager Sachsenhausen und Dachau, genoss dort
zwar Vergünstigungen (größere Zellen, besseres Essen, eine
Hobelbank, an der er arbeiten konnte, eine selbergebaute
Zither, auf der er spielen durfte), war aber fünf Jahre kom-
plett isoliert. Was geht schneller, soll er sinngemäß einmal
einen seiner SS-Bewacher gefragt haben, das Erhängen,
das Vergasen oder der Genickschuss?
Am 9. April 1945 wurde Georg Elser vor dem Krema-
torium im KZ Dachau erschossen und sofort in seinen
Kleidern verbrannt, weil das, was mit ihm geplant war und
wofür man ihn am Leben gelassen hatte: der große Schau-
prozess gegen ihn und sämtliche angeblichen Hintermän-
ner des Attentats nach dem „Endsieg“ nun wohl nicht mehr
stattfinden würde.
Georg Elser hat kein Grab, außer einem symbolischen
auf einem Friedhof bei Königsbronn.
Das Bild Georg Elsers in Nachkriegsdeutschland
Der Krieg war zu Ende, die großen Städte zerstört, Deutsch-
land von den Alliierten besetzt, die Entnazifizierung
Deutschlands begann. Jeder gab sich alle Mühe, höchstens
als „Mitläufer“ eingestuft zu werden. Ein so leuchtendes
Beispiel des aktiven Widerstands gegen Hitler wie das
von Georg Elser (wenn man es gewusst hätte) konnte
man einfach nicht gebrauchen. Elsers Tat war lange Zeit
tot geschwiegen, in der Bundesrepublik wie in der DDR,
in der Verlängerung der nationalsozialistischen Legende
anderen zugeschrieben oder einfach verurteilt worden.
Sogar Historiker
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beriefen sich gern auf Quellen, die sich
als höchst zweifelhaft herausstellten:
•
Payne Best, einer der beiden entführten englischen
Spione, behauptete in seinem Buch
„The Venlo Inci-
dent“
(London 1950): Er habe, selbst Gefangener im
KZ Sachsenhausen, zwei Jahre lang Kassiber mit Elser
getauscht. Es stellte sich heraus, dass er ihn wohl nur
einmal kurz im Waschraum gesehen hatte. Seine These
war: Die „alten Kämpfer“, Hitlers Mitputschisten von
1923, hätten Elser mit dem Attentat beauftragt.
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•
Walter Uslepp, ein SS-Wachmann ebenfalls im KZ Sach-
senhausen, behauptete keck: Hitler und Himmler hätten
Elser mit dem Attentat beauftragt.
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•
Aber am erstaunlichsten und unglaublichsten ist
heute die Haltung des Pfarrers Martin Niemöller, der,
als Angehöriger der „Bekennenden Kirche“, ebenfalls
KZ-Gefangener war: Elser sei – behauptete er – SS-
Unterscharführer gewesen und habe den Anschlag
auf persönlichen Befehl Hitlers ausgeführt.
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Er
ließ sich auch durch einen Briefwechsel mit Elsers
Mutter 1946 nicht umstimmen, er blieb bei dieser
Behauptung, die er angeblich von Elsers Bewachern
erfahren habe, sein Leben lang.
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Die Gerüchte, die
über Elser kursieren, werden heute mehrheitlich als
„Lagerklatsch“ eingeordnet.
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Vielleicht waren es
die Vergünstigungen in der Gefangenschaft, die die
Gerüchte über Elser haben ins Kraut schießen lassen
und Gefangenen und Wächtern Gelegenheit boten,
sich wichtig zu machen.
Am weitsichtigsten, was Elsers Charakter und die Ein-
schätzung seiner Tat betraf, war der Mann, der ihn ver-
hört hatte: Kriminaldirektor Arthur Nebe.
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Dieser – ein
für viele in Russland verübte Verbrechen verantwortlicher
Nationalsozialist – hatte, vielleicht sogar durch die Ver-
höre mit Elser angeregt, Kontakt zu den Männern des
20. Juli aufgenommen, wurde entdeckt und im Strafge-
fängnis Plötzensee gehängt.
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Elser soll es in Sachsenhau-
sen von einem seiner Wachleute erfahren haben. Nebe
hatte Folgendes seinem Freund Bernd Gisevius über Elser
gesagt:
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„Und du wirst sehen, den Mann machen sie noch hin-
terher fertig: den schweigen sie tot […]. Dieser Mann
aus dem Volke liebte das einfache Volk; er legte mir lei-
denschaftlich und in simplen Sätzen dar, Krieg bedeute
für die Massen aller Länder Hunger, Elend und millio-
nenfachen Tod. Kein ‚Pazifist‘ in üblichem Sinne, dachte
er ganz primitiv: Hitler ist der Krieg und wenn dieser
Mann weg ist, dann gibt es Frieden. Gerade deswegen
werden deine feinen Leute nichts von ihm wissen wollen,
auch nicht hinterher. […]… Sie haben übrigens ganz
35 Zit. nach Steinbach/Tuchel, S. 93 ff.
36 Ebd.
37 Ebd.
38 Ebd.
39 Sein Sohn wiederholte diese Thesen auch gegenüber der Autorin.
40 Aussage Barbara Distel, frühere Leiterin der KZ-Gedenkstätte Dachau, ge-
genüber der Autorin.
41 Nebe war seit 1937 Chef des Reichskriminalpolizeiamtes und führte
unter anderem 1941 die Einsatzgruppe B der Sicherheitspolizei und des
Sicherheitsdienstes in der Sowjetunion, vgl. auch
http://www.deutsche- biographie.de/sfz70833.html[Stand: 18.09.2015].
42 Zit. nach Steinbach/Tuchel, S. 101 ff.
43 Bernd Gisevius: „Wo ist Nebe? Erinnerungen an Hitlers Reichskriminal-
direktor“, Zürich 1966, zit. nach. Steinbach/Tuchel (wie Anm. 1); S. 101.