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Von Elser und seinem Bild in den Augen der anderen

Einsichten und Perspektiven 3 | 15

Aber das Verhältnis mit Elsa hielt, ja, sie sprachen sogar

schon davon, in die Schweiz zu gehen, zu heiraten und

dort zu arbeiten. Elsa Härlen war sicher die ernsteste Liebes-

beziehung, die Georg Elser hatte.

Erste Folgen von Hitlers Machtergreifung

Alles, was Elser bei seiner Politisierung am Bodensee

gelernt hatte, konnte er jetzt, nach Hitlers Machtergrei-

fung 1933, überprüfen: Sie hatten recht gehabt, die Kom-

munisten: Das erste Konzentrationslager Dachau wurde

im April 1933 eröffnet, Andersdenkende, Homosexuelle,

Sinti und Roma eingesperrt, Juden verfolgt. Elser weigerte

sich standhaft, den Hitlergruß zu machen, er verließ den

Raum, wenn Hitler seine Radioreden schwang. Im März

1938 hatte Hitler seine Heimat, Österreich, „heim ins

Reich“ – so nannten es die Nazis – gebracht, ohne dass

die Nachbarstaaten etwas dagegen unternommen hätten.

Ein halbes Jahr später wird das „Münchner Abkommen“

unterschrieben: England, Frankreich und Italien – Mus-

solini war bereits auf Hitlers Seite – erlaubten Hitler,

auch die sudetendeutschen Gebiete der Tschechoslowakei

„heimzuholen“. Mit dieser Appeasement-Politik dachte

man mit Hitler einen Kompromiss zu erreichen und so

den Frieden erhalten zu können, dabei war es eine Kapi-

tulation vor dem deutschen Diktator.

Und Elser? Nach Bekanntwerden des „Münchner

Abkommens“ war ihm klar, dass Hitler weitere Länder

unter seine Knute zwingen und dass das Krieg bedeuten

würde. 

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Dass dagegen etwas getan werden müsse. Dass er

etwas dagegen tun wolle.

Zur Putschfeier am 8. und 9. November 1938 fuhr

Elser nach München zum Bürgerbräukeller, sah, dass der

Saal von den „alten Kämpfern“ kaum bewacht wurde und

dass Hitler stets vor derselben Säule zu reden pflegte. Da

verfestigte sich in ihm der Gedanke, in diese Säule Spreng-

stoff einzubauen, um die Nazi-Führung, „ich meine damit

Hitler, Göring und Goebbels“, 

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während der „Führer“-

Rede unschädlich zu machen.

Attentatsvorbereitungen

Akribisch begann er, seinen Plan in die Tat umzusetzen:

Er zeichnete Pläne, baute sie nach, probierte sie aus.

Seine Arbeitsstellen wurden, ohne es zu ahnen, zu Lie-

feranten von Material. Beim Armaturenwerk Walden-

maier in Heidenheim ließ er Zünder und Pulverstücke

mitgehen, beim Steinbruch Vollmer in Königsbronn das

Dynamit. 

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Das Verhältnis zu Elsa, die sich 1938 seinetwegen von

ihrem Mann hatte scheiden lassen, wurde ihm in die-

ser Zeit offensichtlich zur Belastung. Er beantwortete

ihre Post nicht mehr und fuhr im April 1939 noch ein-

mal nach München, um die genauen Maße der Säule zu

bekommen. Von da an widmete er sich ausschließlich sei-

ner selbstgestellten Aufgabe, lebte nur von seinem Erspar-

ten, hatte Elsa verlassen.

Mögliche Wege Elsers von der Türkenstraße zum Bürgerbräukeller

Quelle: Gedenkstätte Deutscher Widerstand

Im August 1939 zog er nach München, lebte seit Sep-

tember beim Polstererehepaar Lehmann in der Türken-

straße 94. Der Mann arbeitete auswärts, die Frau war nach

einer schweren Geburt noch länger im Krankenhaus. Elser

hatte also freie Hand, konnte ohne aufzufallen die Nacht

im Bürgerbräukeller verbringen, um den Sprengapparat

einzubauen, anschließend tagsüber in seinem Zimmer

schlafen. „Häuslschleicher“ nannten ihn die Wirtsleute,

einer, der plötzlich und leise irgendwo auftauchte. 

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Für

die Münchner Handwerker war er ein bescheidener, fleißi-

ger, verlässlicher Kollege. Schreiner Brög aus der Türken-

straße 59 ließ ihn an seiner Hobelbank arbeiten und im

16 Verhörprotokolle (wie Anm. 4), S. 87f. [102 f.].

17 Ebd., S. 91 [106 f.].

18 Ebd., S. 69 f. [85 f.].

19 Rosa Lehmann im Interview mit der Autorin