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Von Elser und seinem Bild in den Augen der anderen

Einsichten und Perspektiven 3 | 15

1930 geboren, im gleichen Jahr trennen sich die Eltern. 

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Enttäuscht heiratet die junge Mutter einen Zitherkollegen

Elsers, den Handwerker Hans Bühl, der ihrem und Els-

ers Sohn seinen Namen gibt. Das Thema „Elser“ ist bei

den Bühls tabu, Manfred erfährt erst mit sieben, wer sein

wirklicher Vater war. Als er die Mutter einmal fragt, wer

denn der Mann auf dem Foto ihres Schmuckkästchens

mit den Intarsien sei, zerreißt die Mutter das Bild. Man-

fred genierte sich lange für seinen leiblichen Vater, zumal

er begeistert in der Hitlerjugend mitmachte. Erst am

Ende seines Lebens – er starb 1997, nachdem er bei der

Einweihung des Georg-Elser-Platzes in München seine

erste öffentliche Rede über seinen Vater gehalten hatte –

war er stolz auf ihn.

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Wiewohl Elser in seiner Rolle als

Kindsvater wohl eher ein Versager war: In den folgenden

Jahren nahm er bevorzugt Arbeit an, die nicht über eine

bestimmte Summe hinausging (24 Mark die Woche), um

keine Alimente zahlen zu müssen. 

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Manfred Bühl, der Sohn Georg Elsers, bei einem Besuch in der KZ-Gedenk-

stätte Dachau

Foto: Hella Schlumberger

In diesen sieben Jahren im Bodenseegebiet hatte Georg

Elser sich – von Kollegen animiert – politisiert: Er war

Mitglied in der Holzarbeitergewerkschaft geworden, hatte

kommunistisch gewählt und war dem kommunistischen

Rotfrontkämpferbund beigetreten. 

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Eine neue Freundin,

eine Schneiderin, hatte er auch wieder gefunden: die Hilde

Lang, mit der er gern in den Kreuzlinger „Freien Abstinen-

ten-Verein“ ging. 

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Doch 1932 trennten auch sie sich.

Im selben Jahr schließt wieder einmal, und diesmal end-

gültig, die Uhrenfabrik, in der Elser arbeitete. Anstelle des

ausstehenden Lohns bekommt er Uhrwerke aus der Insol-

venz, die ihm später für den Zeitzünder seiner „Höllenma-

schine“ gute Dienste tun sollten. Was blieb ihm anderes

übrig, als zu „Kost und Logis“ zurückzukehren? Bei Privat-

leuten in und umMeersburg reparierte er Möbel gegen Essen

und Übernachtung, bis ihn der Ruf seiner Mutter erreichte.

Königsbronner Abwärtsspirale

Die Mutter rief und der „brave Georg“ kam. Der Vater

hatte inzwischen Schulden über Schulden angehäuft.

Zunächst sah es in dieser Zeit noch einigermaßen gut aus:

Georg richtete sich im Haus eine Werkstatt für Möbel-

aufträge und Reparaturen ein. Er ging zum Zitherclub

und zum Gesangsverein, lernte Bassgeige spielen, und

verliebte sich in die verheiratete Elsa Härlen. 

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Bis 1936

verschlechterte sich die Lage der Familie zunehmend; kein

Weg führte mehr am Verkauf von Haus und dem Großteil

der Felder vorbei. 

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Vom Restgeld erhielt Georg nichts;

er fühlte sich ungerecht behandelt. Auch als die Eltern in

Königsbronn für eine Doppelhaushälfte Hypotheken auf-

nehmen, wird Bruder Leonhard, er hat inzwischen auch

das Schreinerhandwerk erlernt, als Miteigentümer einge-

tragen. Georg dagegen nicht. Er ist enttäuscht. Die Mut-

ter ist gezwungen, sich als Tagelöhnerin zu verdingen, um

die Familie zu ernähren. Georg Elser zieht bei Elsa und

ihrem gewalttätigen, alkoholabhängigen Ehemann ein,

wo ihr Verhältnis nicht unbemerkt bleibt. Schon nach

ein paar Monaten wird er hinausgeworfen. Wieder keine

Wohnung und keine Werkstatt. Die Dachkammer in der

elterlichen Doppelhaushälfte, in der er eine Weile lebte,

bekommt Leonhards Freundin, die schwanger ist. 

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8 Verhörprotokolle (wie Anm. 4), S. 75 [91].

9 Gespräch der Autorin mit Manfred Bühl 1996/97; vgl. auch Manfred Bühls

Rede bei der Einweihung des Georg-Elser-Platzes in München 1997, El-

ser-Heft Nr. 2.

10 Verhörprotokolle (wie Anm. 4), S. 81 ff. [96 ff.].

11 Das Abzeichen des Rotkämpferbundes trug er am Jackett, als er in Kons-

tanz verhaftet wurde.

12 Ebd. S. 46 f. [62 f.]

13 Ebd. S. 14 [30].

14 Ebd. S. 52 f. [68 f.].

15 Gespräch der Autorin mit Leonhard Elser in Königsbronn 1996.