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Von Elser und seinem Bild in den Augen der anderen

Einsichten und Perspektiven 3 | 15

Von Johann Georg Elser, dem Bürgerbräuattentäter, gibt

es außer den Verhörprotokollen zum Anschlag auf Hitler

1939 eigentlich nur Mündliches. Über ihn inzwischen viel

Schriftliches, davon einiges abenteuerlich erfunden, nicht

nur während der Zeit des „Dritten Reiches“, sondern auch

weit in die Nachkriegszeit hinein. 

1

So unauffällig Georg

Elser war – was ihm in der Vorbereitung seines Spreng-

stoffanschlags in München zugute kam – machte sich in

seinem Umfeld hartnäckig Wichtigtuerei breit. Was hatte

diesen Mann geprägt und welches Bild machten sich

andere von ihm?

Kindheit, Jugend

1903 geboren, galt Georg die ersten zehn Monate seines

Lebens als „Bankert“. 

2

Erst dann heiratete der Bauer und

Holzhändler Ludwig Elser Georgs Mutter Maria Müller,

was zu der Zeit, vor allem auf dem Land, nicht unüb-

lich war. 

3

Das Paar bekam fünf Kinder, nach Georg die

Schwestern Marie, Friederike, Anna und den zehn Jahre

jüngeren Bruder Leonhard. Als Ältester musste Georg

oft – wie er in den Verhören zu Protokoll gab – „Kinds-

magd“

 4

spielen, aber auch der Mutter auf den Feldern

oder dem Vater im Holzhandel aushelfen.

So musste er schon früh lernen, Verantwortung zu über-

nehmen. Oder Schläge zu ertragen, in der Schule oder vom

ständig betrunkenen Vater. 

5

In der Schule waren Zeich-

nen und Rechnen seine Lieblingsfächer, was ihm später

bei Erfindung und Bau seiner Bombe zupass kam. 1917,

mit vierzehn, verlässt er die Schule, beginnt eine Lehre als

Eisendreher, die er aber abbricht, um Schreiner zu werden.

Lehrjahre, Jobs, Freizeit

Er arbeitet bei Schreinern und Tischlern in Königsbronn

und Umgebung, wohnt aber noch zuhause. Der Vater

nimmt ihm das ganze verdiente Geld wieder ab. In sei-

ner ständigen Trunkenheit, seiner Unberechenbarkeit

und Ungerechtigkeit wird er zur Negativgestalt in Georgs

Leben. Georg ist – wie übrigens auch Adolf Hitler in sei-

ner ähnlich strukturierten Familie – die Stütze der Mutter.

Familie Elser, um 1910, Georg in der Mitte der Kindergruppe

Foto: Gedenkstätte Deutscher Widerstand/PB Franz Hirth, Stuttgart

Der Name Elser, verriet ein entfernter Vetter, Schuldirek-

tor Hans Elser, der Autorin, komme vom Elsbeerbaum,

sorbus torminalis

, mit seinem harten, rötlichen Holz.

Der Vater Holzhändler, Georg und Leonhard Schreiner,

Georgs Sohn Manfred Prokurist einer Firma, die Holztü-

ren herstellte – es war offensichtlich ein ganz besonderes

Verhältnis, das die Elsers mit dem Holz verband. 

6

Wenn er doch etwas Geld vor des Vaters gierigen Fin-

gern retten konnte, kaufte er sich Werkzeug oder steckte

der Mutter ein Kostgeld zu. Der Vater war offensichtlich

der Meinung, „Kost und Logis“, Essen und ein Dach

über dem Kopf, sei genug für den Sohn. Dieses „Kost

und Logis“ sollte ihn ein Leben lang begleiten. Deshalb

forderte er immer wieder für die Arbeiter: billige Woh-

nungen und einen gerechten Lohn. 1922 besteht Georg

Elser als Bester seines Jahrgangs die Gesellenprüfung. 

7

Doch immer wieder müssen Firmen, in denen er arbeitet,

Insolvenz anmelden, er wird arbeitslos. Obwohl er wusste,

wie gut er in seinem Beruf war.

Georg Elser war Perfektionist, überprüfte die Möbel, die

er geschreinert hatte, noch einmal beim Kunden. Er war

stolz auf sein Können, das er freilich in dieser krisengeschüt-

telten Zeit nicht richtig anbringen konnte. Als Ausgleich für

1 Das Standardwerk zu Elser ist: Peter Steinbach/Johannes Tuchel (Hg.):

„Georg Elser“, hg. von der Ernst-Freiberger-Stiftung, Berlin 2008; vgl.

auch Peter Steinbach: Johann Georg Elser – der unerwartete Widerstand

„von unten“, in: Einsichten und Perspektiven 4/2009, S. 254–275.

2 So bezeichnet[e] man im süd-(ost)-deutschen Raum abfällig ein unehe-

liches Kind.

3 In der patriarchalischen Bauerngesellschaft wurde gern abgewartet, ob

die Frau fähig war, einen Hoferben auf die Welt zu bringen.

4 S. Verhörprotokolle: „Sprengstoffanschlag im Bürgerbräukeller, München,

am 8. November 1939. Vernehmung des Täters“, Faksimile, Waging am

See 2009, S. 4 [20]. Die erzählte Geschichte folgt in weiten Teilen den

Angaben Elsers in diesen Verhören.

5 Ebd. S. 3/4 [19/20], auch 51f. [67 f.].

6 Bei der Elser-Preisverleihung 2013 in München wurde dieses Motiv im

Refrain eines Rapperliedes aufgenommen: „Und war der Georg etwa nicht

aus ganz besondrem Holz geschnitzt?“.

7 Verhörprotokolle (wie Anm. 4), S. 32 [48].