29
Kooperation und Konfrontation
Einsichten und Perspektiven 3 | 15
politischer Querulant, der im Juni 1947 aufgrund seiner
skandalösen Amtsführung von Ministerpräsident Ehard
entlassen worden war. Die Auseinandersetzungen gewan-
nen von Stufe zu Stufe nicht nur an Härte, sie führten
auch dazu, dass die Konfliktparteien auf bayerischer Seite
die Reihen immer fester schlossen: Die Regierung nutzte
den Landtag als öffentliche Bühne, um ihre Forderungen
von der gewählten Volksvertretung unterstützen zu lassen.
Zum einen sollte auf diese Weise den eigenen Argumen-
ten größeres Gewicht verliehen werden, zum anderen
würde – so das Kalkül – die Militärregierung dem Landtag
weniger leicht Befehle erteilen können als der Staatsre-
gierung. Die Ergebnisse fielen indes unterschiedlich aus:
In der Schulreform etwa mussten die Amerikaner einse-
hen, dass sich ihr Schulsystem nicht eins zu eins auf Bay-
ern übertragen ließ. Im Fall Loritz, gegen den während
des Bundestagswahlkampfs 1949 wegen des Verdachts,
staatliche Institutionen verleumdet zu haben, strafrecht-
liche Ermittlungen liefen, siegte die Militärregierung
dagegen auf ganzer Linie. Sie suspendierte das Verfahren
und der Landtag musste seinen Streik abbrechen. Loritz
profitierte vom politischen Aufsehen, den der Vorgang
erregte, und zog mit seiner Protestpartei WAV in den
Bundestag ein.
Zu den von allen Fraktionen unterstützten politischen Initi-
ativen zählte unter anderem der Einstieg in die Erforschung
und friedliche Nutzung der Kernenergie, die Mitte der
1950er Jahre ebenso euphorisch begrüßt wurde wie wenig
später die Pläne der Regierung, Bayern an das internationale
Erdölnetz anzuschließen.
28
Gleiches gilt für den Bereich der
„Außenpolitik“, namentlich für die Verteidigung von Bayerns
Stellung im Bund. Einigkeit herrschte auch im gemeinsamen
Einsatz gegen neonazistische Umtriebe, der Ende 1950 zur
Gründung des Landesamts für Verfassungsschutz führte.
Darüber hinaus wurde die Auseinandersetzung mit der NS-
Vergangenheit im Rahmen der politischen Bildungsarbeit
angestoßen. Allerdings war die Zusammenarbeit zwischen
Landtag und Regierung nicht in allen Fällen von Erfolg
gekrönt, so etwa der mit großem Engagement betriebene
gemeinsame Einsatz für die Rückgewinnung der Pfalz.
29
28 Vgl. Thomas Schlemmer: Industriemoderne in der Provinz. Die Region In-
golstadt zwischen Neubeginn, Boom und Krise 1945 bis 1975 (=Quellen
und Darstellungen zur Zeitgeschichte, 57 u. zugl. Bayern im Bund, 6),
München 2009, S. 201–244.
29 Vgl. Ellen Latzin: Bayern und die Pfalz – eine historische Beziehung voller
Höhen und Tiefen, in: Bayerische Landeszentrale für politische Bildungs-
arbeit (Hg.): Einsichten und Perspektiven. Bayerische Zeitschrift für Politik
und Geschichte (= Themenheft 2/2006), München 2006, S. 3–63.
Sitzverteilung
gesamt: 204
Wahlergebnisse
KPD/DKP
1,9 %
SPD
28,0 %
WAV
2,8 %
FDP
7,1 %
CSU
27,4 %
BP
17,9 %
BHE/DG
12,3 %
Sonstige
2,6 %
SPD: 63
FDP: 12
CSU: 64
BP: 39
BHE/DG: 26
1950–1954, 2. Legislaturperiode
Sitzverteilung
gesamt: 204
Wahlergebnisse
KPD/DKP
2,1 %
SPD
28,1 %
WAV
0,1 %
FDP
7,2 %
CSU
38,0 %
BP
13,2 %
GB/BHE
10,2 %
Sonstige
1,1 %
SPD: 61
FDP: 13
CSU: 83
BP: 28
GB/BHE: 19
1954–1958, 3. Legislaturperiode