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Kooperation und Konfrontation
Einsichten und Perspektiven 3 | 15
zu kontrollierenden Platzhalter ins Amt zu bringen, doch
Ehard entwickelte als Ministerpräsident rasch eigenes Pro-
fil und stand bis 1962 knapp zehn Jahre lang an der Spitze
von vier Kabinetten. Darüber hinaus führte er den Land-
tag als Präsident mit großem Geschick durch die Phase
der politischen Grabenkämpfe zwischen Opposition und
Regierung während der Amtszeit der Viererkoalition. Da
ihm andererseits das Amt des CSU-Parteivorsitzenden
(1949–1955) nicht am Herzen lag, kann Ehard wohl am
treffendsten als „Mann des Staates“ charakterisiert wer-
den.
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1954 erbrachte die Installierung dieser Viererkoalition
den bis heute einzigen Beweis, dass es in Bayern möglich
ist, gegen die stärkste Fraktion im Landtag die Regierung
zu bilden. Der Landesvorsitzende der SPD, Waldemar
von Knoeringen, machte sich das selbstgewisse Auftreten
der CSU nach ihrem Wahlerfolg (45 Prozent) zunutze,
um mit FDP, der Flüchtlingspartei GB/BHE und der
Bayernpartei (BP) ein Bündnis zu schmieden.
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Mit dem
Scheitern dieses heterogenen und fragilen Zusammen-
schlusses und der Wahl Hanns Seidels (CSU) zum Minis-
terpräsidenten 1957 pendelten sich die Verhältnisse bei
der Regierungsbildung wieder ein. Die CSU, die nach
allen Landtagswahlen zwischen 1946 und 1958 über die
meisten Sitze im Landtag verfügte, führte nun Kabinette
mit FDP und GB/BHE. SPD und BP blieben außen vor.
Unzureichende Kontrollmöglichkeiten des Landtags
gegenüber der Regierung
Gravierend für die Verfassungswirklichkeit wirkte sich
aus, dass sich das Kontrollinstrumentarium des Landtags
gegenüber der gestärkten Exekutive rasch als ungenügend
erwies. Dies lag an Konstruktionsfehlern in Verfassung
und Geschäftsordnungen. Die Verfassungsgeber gingen
von einem scharfen Gegensatz zwischen Landtag und
Regierung aus, der in der Praxis jedoch schon bald einer
Frontstellung zwischen der Allianz aus Regierung und der
(den) sie tragenden Mehrheitsfraktion(en) einerseits und
der Opposition andererseits weichen sollte. Vor allem die
Untersuchungsausschüsse gerieten in die Kritik: Mit viel
Aufwand erhoben sie oft über mehrere Jahre hinweg ein-
gehende Ermittlungen, doch der Ertrag blieb stets gering,
denn auch wenn sie auf Antrag einer Minderheit eingesetzt
werden mussten, bestimmte in ihnen – wie im Plenum –
die die Regierung tragende parlamentarische Mehrheit.
Zu politischen Konsequenzen führten die Ermittlungen
deshalb fast nie. Die Folge war eine tief sitzende Frustra-
tion, insbesondere bei der Opposition. Dies führte dazu,
dass immer weniger Untersuchungsausschüsse einge-
setzt wurden – waren es in der ersten Legislaturperiode
(1946–1950) noch 13, verzichtete der Landtag in der
vierten Legislaturperiode (1958–1962) ganz darauf.
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Ähnlich sah es bei Anfragen und Interpellationen aus.
Am Anfang wurden sie häufig genutzt, da sie der Opposi-
tion die Möglichkeit zu eröffnen schienen, die Regierung
in eine für sie unangenehme öffentlichkeitswirksame Aus-
einandersetzung zu zwingen. Den größten Erfolg hatte
eine Interpellation von FDP und BP, die 1952 wesent-
lich zum erzwungenen Rücktritt von Justizminister Josef
Müller (CSU) beitrug. Da sich in den meisten Fällen
die Mehrheit am Ende aber doch hinter die Regierung
stellte und damit alle Vorstöße der Opposition abblockte,
erlahmte auch diese Form der Kontrolle zusehends. Hinzu
kam, dass die Exekutive – insbesondere Ministerpräsident
Ehard – dazu überging, sich des Instruments einer „bestell-
ten“ Interpellation aus den eigenen Reihen zu bedienen,
Gruppenbild des ersten Kabinetts Wilhelm Hoegner, rechts hinter Wilhelm
Hoegner der spätere Bundeskanzler Ludwig Erhard
Foto: Bildarchiv Bayerischer Landtag
11 Karl Möckl: Die Geschichte der politischen Repräsentation des Volkes in
Bayern, in: Reinhold Bocklet (Hg.): Das Regierungssystem des Freistaates
Bayern, Bd. 1: Beiträge, München 1977, S. 29–51, hier S. 46.
12 Zur Viererkoalition vgl. Bernhard Taubenberger: Licht übers Land. Die bayeri-
sche Viererkoalition 1954–1957, München 2002, sowie Heike Bretschneider:
Die Bildung der Viererkoalition. Die parteipolitische Konstellation in Bayern in
der ersten Hälfte der Fünfziger Jahre, in: ZBLG 41 (1978), S. 999–1038.
13 Zur Tätigkeit der Untersuchungsausschüsse vgl. Jürgen Plöhn: Untersu-
chungsausschüsse der Landesparlamente als Elemente der Politik (=Sozial-
wissenschaftliche Studien. Schriftenreihe der Sozialwissenschaftlichen Ins-
titute der Universität Hamburg, 26), Opladen 1991, sowie Dirk Götschmann:
Untersuchungsausschüsse, in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: http://
www.historisches-lexikon-bayerns.de/artikel/artikel_44569(25.11.2013).