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Kooperation und Konfrontation
Einsichten und Perspektiven 3 | 15
zu echter Teamarbeit
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– ein von Fall zu Fall nützliches
Instrument, das er einsetzte, sobald und solange er sich
davon Vorteile versprach. Gleichzeitig zögerte die Regie-
rung nicht, bestimmenden Einfluss auch auf Domänen
des Landtags, etwa die Gesetzesinitiative, auszuüben.
Rasch erarbeitete sie sich hier ein deutliches Übergewicht:
Fast 70 Prozent der Gesetzentwürfe kamen in der ersten
Legislaturperiode von der Regierung. Der Landtag holte
zwar bis 1962 in dieser Hinsicht auf. Es erwies sich jedoch
als nicht auszugleichender Nachteil, dass er im Vergleich
zur Ministerialbürokratie über keinen vergleichbar profes-
sionellen Hilfsdienst verfügte, der ihn bei der Erstellung
von Gesetzentwürfen hätte unterstützen können.
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Auseinandersetzungen des Landtags mit der Ministe-
rialbürokratie
Über mehrere Jahre hinweg in Dauerfehde lag der Land-
tag mit der – so der Hauptvorwurf – weitgehend als natio-
nalsozialistisch geprägt und als übermächtig empfundenen
Ministerialbürokratie. Nach dem Ende des Zweiten Welt-
kriegs fiel es der Regierung schwer, geeignetes Personal für
den Dienst in den Ministerien zu finden. Erfahrene Verwal-
tungsbeamte hatten sich in der Regel mit dem NS-Regime
zu arrangieren gesucht und waren entsprechend als belastet
eingestuft. Nicht-Belastete verfügten dagegen über keiner-
lei praktische Erfahrungen im Verwaltungsdienst. Um der
Personalnot Abhilfe zu schaffen, entschied sich das Kabinett
Ehard II ab 1947/48 dafür, verstärkt auf Beamte zurück-
zugreifen, die in den Entnazifizierungsverfahren als „Mit-
läufer“ klassifiziert worden waren. In manchen Ressorts wie
dem Landwirtschaftsministerium bildeten diese ehemali-
gen NSDAP-Mitglieder unter der Beamtenschaft die deut-
liche Mehrheit (über 75 Prozent). Ihnen die Erfordernisse
des Dienstes am neuen demokratischen Staat zu vermitteln,
gelang nicht immer, wie Landwirtschaftsminister Alois
Schlögl (CSU) 1948 vor dem Landtag einräumen musste.
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Die Bedeutung der Ministerialbürokratie für die Politik
lässt sich besonders gut an der Viererkoalition ablesen, die
1954 gegen die CSU gebildet wurde. Die Christsozialen
hatten seit 1946 die Regierungen geführt und so nach-
haltigen Einfluss auf die Staatsverwaltung gewonnen. Die
neue Regierung unter Ministerpräsident Wilhelm Hoeg-
ner (SPD) versuchte nun, eigenes Personal in die Spitzen-
positionen der Ministerien zu bringen. Das sorgte ebenso
für Unmut wie der Versuch, das vorhandene Personal per
Ministerratsbeschluss daran zu hindern, öffentlich gegen
die Politik der neuen politischen Führung Stellung zu
beziehen. Rasch war von „Maulkorberlass“ die Rede und
davon, dass missliebige Beamte strafversetzt würden.
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Politische Brisanz gewannen die Vorgänge, da sich die
CSU, die nun im Landtag eine starke Opposition bildete,
zum Anwalt der betroffenen Staatsdiener machte. Bis zum
Ende der Betrachtungszeit verbesserte sich das Verhält-
nis des Landtags zur Ministerialbürokratie aber spürbar.
Anfang der 1960er Jahre war es zum Leidwesen des Minis-
terpräsidenten sogar üblich geworden, dass Fraktionen
Referenten aus den Ressorts zu Vorträgen einluden, um
sich aus erster Hand informieren zu lassen.
Kampf gegen protokollarische Zurücksetzungen des
Landtags
Auch in repräsentativen Fragen ist eine Frontstellung des
gesamten Landtags gegenüber der Regierung zu beobach-
ten. Von Anfang an fühlten sich die Abgeordneten bei
öffentlichen Anlässen protokollarisch von der Regierung
an den Rand gedrängt. Selbst über Kleinigkeiten konnten
sich Landtag und Regierung erbittert streiten – so sorgte
die mangelnde Berücksichtigung des Landtags bei der
Zuteilung von Theaterkarten durch das Kultusministe-
rium jahrelang für Empörung. Zwischenzeitlich gingen die
Abgeordneten, die keine Freikarten erhielten, dazu über, an
den Kassen auf ihren Abgeordnetenstatus zu verweisen und
vehement kostenfreien Zutritt zu verlangen.
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Gemeinsam
an einem Strang zogen Landtag und Regierung hingegen
im Bemühen, die Identifikation der Bevölkerung mit dem
jungen demokratischen Staat durch die Einführung neuer
Symbole zu fördern. Hatte Ministerpräsident Hoegner
1957 den Bayerischen Verdienstorden gestiftet, folgte ihm
1961 Landtagspräsident Rudolf Hanauer (CSU) mit der
16 Vgl. Bayerischer Landtag (Hg.): Verhandlungen des Bayerischen Landtags.
Stenographische Berichte 1950/54, Bd. 3/1, München 1952, 69. Sitzung,
07.02.1952, S. 1438.
17 Zur verwaltungstechnischen Benachteiligung des Landtags gegenüber der
Staatsregierung vgl. Helmut Kalkbrenner: Bewährung und Reformbedürftig-
keit unserer Verfassung, in: BayVBl. 18 (1972), S. 5–10, hier S. 6, sowie Jür-
gen Böddrich: Parlament und Verwaltung als Widerpart – Kooperation und
Konkurrenz der Staatsgewalten aus oppositioneller Sicht, in: Rainer A. Roth
(Hg.): Freistaat Bayern. Die politische Wirklichkeit eines Landes der Bundes-
republik Deutschland, hg. v. d. Bayerischen Landeszentrale für politische Bil-
dungsarbeit, 4. überarb. Aufl. München 1986, S. 299–310, hier, S. 302f.
18 Vgl. Bayerischer Landtag (Hg.): Verhandlungen des Bayerischen Landtags.
Stenographische Berichte 1946/50, Bd. 6, München 1950, 185. Sitzung,
18.10.1950, S. 1146.
19 Bayerischer Landtag (Hg.): Verhandlungen des Bayerischen Landtags.
Stenographische Berichte 1954/58, Bd. 1, München 1955, 18. Sitzung,
11.05.1955, S. 439 f.
20 Vgl. Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Nachlass Walter Becher, 234, Sitzungs-
protokolle der Landtagsfraktion des GB/BHE, Sitzung vom 12.09.1955, S. 1.