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Kooperation und Konfrontation
Einsichten und Perspektiven 3 | 15
um die Position der Regierung in einer bestimmten Frage
darlegen zu können.
Ministeranklagen stellte der Landtag im Untersu-
chungszeitraum in keinem Fall. Diese Möglichkeit war
1952 kurzzeitig im Fall Müller in Erwägung gezogen,
dann aber wieder verworfen worden. Die Zustimmungs-
pflicht einer Zweidrittelmehrheit der gesetzlichen Mit-
gliederzahl erwies sich für dieses Kontrollinstrument in
der Praxis als unüberwindbare Hürde. Der Verfassungs-
gerichtshof musste über lediglich drei Verfassungskla-
gen entscheiden, die zudem nicht
der
Landtag gegen
die
Staatsregierung erhoben hatte. Vielmehr handelte es sich
um Meinungsverschiedenheiten zwischen Landtags
min-
derheit
und Landtags
mehrheit
. Es ging jeweils um die
Frage, ob mit Mehrheit verabschiedete Gesetze zumin-
dest in Teilen die Verfassung verletzten.
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Noch nicht zu
nutzen verstand die Opposition das Machtmittel eines
gezielt herbeigeführten Volksbegehrens und Volksent-
scheids, um so Druck auf die Regierungsmehrheit auszu-
üben. Diese Entwicklung setzte erst ab Mitte der 1960er
Jahre ein.
14 Vgl. Sammlung von Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichts-
hofs mit Entscheidungen des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs. Neue
Folge, München 1948ff., 2, Teil II, S. 220, 3, Teil II, S. 126f., sowie 11, Teil II,
S. 9.
Das Haushaltsrecht als Domäne des Landtags
Bleibt das Budgetrecht als parlamentarisches Druckmittel
gegen die Regierung, das der Landtag bis 1962 so auf-
merksam wahrnahm, dass – bis auf eine Ausnahme 1961
im Rahmen des Doppelhaushalts 1960/61 – kein Haus-
halt vor Beginn des Rechnungsjahrs verabschiedet werden
konnte. In manchen Jahren wurde das Haushaltsgesetz erst
wenige Tage vor Beginn des folgenden Rechnungsjahrs
beschlossen. Daran Schuld trugen aber auch die Regie-
rung, die die Vorlagen nur selten rechtzeitig einzubrin-
gen vermochte, und der Senat, der zum Etat gutachtlich
Stellung nehmen musste. Vier Mal beschloss der Landtag
defizitäre Haushalte: 1952 bis 1954 und im Nachtrags-
haushalt für 1957. Die restlichen Haushalte waren –
zumindest formell – ausgeglichen. In der Mehrzahl der
Fälle erhöhte der Landtag die Ansätze für Ausgaben und
Einnahmen im Vergleich zu den Regierungsvorlagen
leicht, wobei der Anteil der überhaupt nur beeinflussbaren
freiwilligen Leistungen des Staates bis Mitte der 1950er
Jahre auf 15 Prozent zusammenschmolz. Den großen Rest
bildeten staatliche Pflichtleistungen, für die unabweisbare
Rechtsansprüche vorlagen.
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Konfliktpotenzial zwischen Landtag und Regierung
Unleugbar ist, dass sich der Landtag immer wieder von
der Regierung missachtet und an den Rand des politi-
schen Geschehens gedrängt fühlte. Tatsächlich gebrach es
der Exekutive gerade in der ersten Legislaturperiode an
der gebührenden Wertschätzung gegenüber der Legis-
lative. Dies äußerte sich in der mangelnden Präsenz von
Regierungsvertretern in den Ausschuss- und Plenarsitzun-
gen ebenso wie in der ausbleibenden Abstimmung poli-
tischer Vorhaben mit den (Koalitions-) Fraktionen. Der
Grund dafür lag zum einen in der nachwirkenden Tra-
dition der Jahre 1945/46, in denen die Exekutive auch
für die Gesetzgebung zuständig gewesen war. Zum ande-
ren standen für die Staatsregierung bis 1949 die Ausein-
andersetzungen mit der Militärregierung im Fokus ihrer
Aufmerksamkeit. Der Landtag rückte demgegenüber ins
zweite Glied, es sei denn, er bot dem Ministerpräsidenten
oder anderen Kabinettsmitgliedern ein Forum, um ihren
Forderungen gegenüber der Militärregierung, der Bizo-
nenverwaltung oder dem Bund Nachdruck zu verleihen.
Insbesondere Ministerpräsident Ehard erblickte im Land-
tag – entgegen seinem öffentlich abgelegten Bekenntnis
15 Zur Entwicklung des bayerischen Staatshaushalts in der Betrachtungszeit
vgl. Dirk Götschmann: Wirtschaftsgeschichte Bayerns. 19. und 20. Jahr-
hundert, Sonderausgabe Regensburg 2010, S. 575–578.
Der erste Entwurf der Bayerischen Verfassung, von Wilhelm Hoegner getippt
und von Hans Ehard korrigiert
Foto: SZ-photo/Rolf Thym