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Kooperation und Konfrontation
Einsichten und Perspektiven 3 | 15
Verfassungsmedaille, die seitdem für besondere Verdienste
um die Bayerische Verfassung verliehen wird.
Politische Zäsuren im Nachkriegsbayern
Wichtige Zäsuren für das Verhältnis Landtag – Regierung
bildeten der Austritt der SPD aus dem Kabinett Ehard I im
September 1947 und die Bildung der Viererkoalition 1954
gegen die CSU. In beiden Fällen kam es in der Folge zu
einer Frontstellung zwischen Opposition und Regierung,
die es in dieser Form zuvor noch nicht gegeben hatte. Die
Opposition versuchte jeweils, die Regierung aus dem Amt
zu drängen und an die Macht zurückzukehren. Die SPD
scheiterte dabei mit ihrem Plan, Ministerpräsident Hans
Ehard (CSU) durch ihren Rückzug zum Amtsverzicht
zu bewegen oder über die Selbstauflösung des Landtags
zu Neuwahlen zu gelangen. Auf der anderen Seite nutzte
Ehard die Situation, um die zwar mit einer absoluten Mehr-
heit ausgestattete, in sich aber zerstrittene CSU zumindest
oberflächlich zu befrieden und in einem ohne Neuwahl des
Ministerpräsidenten umgebildeten Kabinett zu vereinen.
Wäre ihm dieser strategische Schachzug nicht geglückt
und seine Regierung gescheitert, wäre es aufgrund der Zer-
rissenheit der CSU wahrscheinlich zu heftigen Kämpfen
um die Regierungsneubildung und zu einer Spaltung der
stärksten Partei gekommen. Auch die Verfassung, für die
sich Ehard – ebenso wie Wilhelm Hoegner auf Seiten der
SPD – wie ein Vater verantwortlich fühlte, hätte einen mas-
siven Imageschaden erlitten, hätte dieser Präzedenzfall doch
eindeutig belegt, dass sie die angestrebte Stabilität eben
nicht gewährleisten konnte. Es war der erste Schlüsselmo-
ment für den Neubeginn des bayerischen Parlamentarismus
ab 1946 – mit glücklichem Ausgang für die Regierung und
ernüchternder Wirkung für die Opposition.
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Die Auseinandersetzungen von Ende 1954 bis Oktober
1957 übertrafen diejenigen der ersten Legislaturperiode
deutlich an Schärfe. Die Konflikte reichten bis zu einem
mehrtägigen Sitzungsstreik der CSU-Fraktion. Diese war
mit ihrer Oppositionsarbeit weitaus erfolgreicher als zuvor
die SPD. Die CSU nutzte die Zeit von 1954 bis 1957 nicht
nur zu einer personellen und inhaltlichen Erneuerung und
organisatorischen Modernisierung, sondern trug auch mit
Attacken und Abwerbeversuchen gegenüber den kleinen
Fraktionen der Viererkoalition maßgeblich zu deren Bruch
bei. Den spektakulärsten Sieg feierte die CSU, als es ihr in
Verbindung mit der katholischen Kirche gelang, die auf
Entkonfessionalisierung und Akademisierung setzende
Lehrerbildungsreform der Viererkoalition aufzuhalten.
Damit konnte die Regierung unter dem SPD-Minister-
präsidenten Wilhelm Hoegner eines ihrer Prestigeprojekte
nicht umsetzen.
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Als sich die Flüchtlingspartei GB/BHE
und die Bayernpartei nach ihrer Wahlniederlage bei der
Bundestagswahl 1957 in ein neues Bündnis mit der CSU
retten wollten und die Koalition platzen ließen, gab Hoeg-
ner auf: Ohne eigene parlamentarische Mehrheit entschloss
er sich zum Rücktritt. Es war der zweite Schlüsselmoment
für den parlamentarischen Neubeginn seit 1946. In ihm
spiegelt sich das große Verantwortungsbewusstsein Wil-
helm Hoegners wider, der es nicht – wie von Teilen seiner
Partei gefordert
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– darauf ankommen ließ, sich im Landtag
einem Missbilligungsantrag zu stellen und damit GB/BHE
und BP zu zwingen, sich öffentlich zu ihrem Frontwech-
sel zu bekennen. Stattdessen wählte er den vornehmen
Rückzug des
Elder Statesman
, der die Eskalation der Krise
vermied und die reibungslose Neuwahl des Ministerprä-
sidenten ermöglichte. Gleichzeitig verhinderte er – wie
zuvor Ehard –, dass die Verfassung das Negativimage eines
unzulänglichen Instrumentariums für den Konfliktfall zwi-
schen Landtag und Ministerpräsident davontrug. Es blieb
bis zu den Rücktritten von Max Streibl 1993 und Edmund
Stoiber 2007 (beide CSU) der einzige Fall des vorzeitigen
Amtsverzichts eines Regierungschefs aus politischen Grün-
den. Einschränkend muss jedoch festgehalten werden, dass
21 Vgl. Bayerischer Landtag (Hg.): Verhandlungen des Bayerischen Landtags.
Stenographische Berichte 1946/50, Bd. 2, München 1948, 28. Sitzung,
20.09.1947, S. 1–16.
22 Vgl. Taubenberger (wie Anm. 12), S. 55–60.
23 Zu diesen Stimmen gehörte etwa der spätere SPD-Landesvorsitzende
Helmut Rothemund, vgl. Haus der Bayerischen Geschichte, Bildarchiv,
Zeitzeugeninterview mit Helmut Rothemund, 22.12.1997, S. 4.
Das erste Kabinett Ehard: In der Mitte Hans Ehard, rechts vorne Wilhelm
Hoegner, rechts hinten Alfred Loritz
Foto: Bildarchiv Bayerischer Landtag