Einsichten und Perspektiven 2|15 - page 56

56
„Was hat das mit mir zu tun?“
Einsichten und Perspektiven 2 | 15
das gesamte Viertel rund um den Königsplatz zum Zent-
rum des Verwaltungsapparats der NSDAP. Die vornehme
Nachbarschaft der Maxvorstadt wurde zum braunen
Zentrum der Partei mit etwa 6.000 Mitarbeitern in 68
Gebäuden. Diese Vergangenheit des historischen Ortes ist
heute den wenigsten Münchnern bekannt – lange hatte
die Stadt versucht, Gras über die Geschichte wachsen zu
lassen. Die Freilegung eines der Sockel der „Ehrentempel“
auf Initiative des NS-Dokumentationszentrums war ein
erster Schritt, die Vergangenheit sichtbar zu machen; der
weiße Betonbau des NS-Dokumentationszentrums sticht
jetzt unübersehbar aus dieser Umgebung hervor und setzt
schon rein architektonisch ein Zeichen gegen das Verges-
sen.
Der historische Ort, an dem der Neubau jetzt steht,
spielt auch in dem Ausstellungskonzept Nerdingers eine
zentrale Rolle. Die großen Sichtfenster ermöglichen topo-
graphische Bezüge und strukturieren die Ausstellung wie
ein geographisch vorgegebenes Drehbuch. Dort, wo es
Ausblicke zu der ehemaligen „Topographie des Münch-
ner Terrors“ gibt, werden diese in die Ausstellung aufge-
nommen und mit der Gegenwart konfrontiert. Wenn die
Lamellenfenster zum Beispiel die Sicht auf den Königs-
platz und das Fundament eines der „Ehrentempel“ frei-
geben, wird auf einem großen Bildschirm neben dem
Fenster der inszenierte Totenkult der Nationalsozialisten
um die „Blutzeugen der Bewegung“ gezeigt, darunter, auf
einem zweiten Monitor, die Sprengung der „Ehrentempel“
im Jahr 1947. Somit wird die historische Umgebung des
NS-Dokumentationszentrums zum Ausstellungsthema
und, wenn man so will, dann doch zu einem Exponat der
Dauerausstellung.
Blick in die Ebene 4 der Dauerausstellung. Vertikale Leitbilder und horizontal angeordnete Vertiefungstische strukturieren die Ausstellung.
Foto: Jens Weber
1...,46,47,48,49,50,51,52,53,54,55 57,58,59,60,61,62,63,64,65,66,...80
Powered by FlippingBook