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50 Jahre Sozialwissenschaftliches Gymnasium
Einsichten und Perspektiven 2 | 15
„Von der ersten Sekunde an überwältigt war ich von der Lebensfreude der
Kinder, sie lassen sich von den Einschränkungen nicht weiter beeindru­
cken. Stark, was die ausstrahlen!“ Johanna lernte in einer Einrichtung der
Lebenshilfe ganzheitlich orientierte Heilpädagogik kennen. Im Alltag werden
Bewegungs-, Sprach- und Sinnesorgane trainiert und motiviert, natürlich
alles spielerisch und altersangemessen. Sie durfte nach Anweisung durch
die Fachkräfte auch einfache Therapie-Übungen mit ihnen nachmachen.
„Ich bin auch zum Nachdenken gekommen, was meine Studienrichtung oder
Ausbildung betrifft“, resümiert sie.
Foto: Archiv des Elly-Heuss-Gymnasiums Weiden
Der Wert der Pflichtpraktika im WSG-S liegt nicht nur
in der praktischen Anwendung von Kenntnissen aus dem
Unterricht oder im Kennenlernen von Alltag und Routine
der Sozialen Arbeit. Noch wertvoller sind oft Grenzerfah-
rungen, vielleicht ein erster Kontakt mit Krankheit oder
Behinderung, auch Erfahrungen mit dem eigenen Vermö-
gen und Unvermögen oder der Umgang mit Zweifeln, ob
man der Situation insgesamt oder der nächsten kleineren
Herausforderung gewachsen ist. Und die jungen Leute
lernen die Bedingungen kennen, unter denen Soziale
Arbeit und Sozialstaat funktionieren: von Arbeitszeitrege-
lungen über Arbeitsrecht, von Hierarchien über Aufstiegs-
chancen, von gesundheitlichen Risiken bis zur Bedeutung
von Zuverlässigkeit und Sorgfalt. Eindrücke für die beruf-
liche Orientierung können dazukommen, analysierende
und reflektierende Praktikumsberichte sichern zusätzlich
die gymnasialen Ansprüche. Vielleicht trifft es das Urteil
eines Vaters gut, der über seine Tochter nach dem Prakti-
kum sagte: „Marie kommt mir jetzt erwachsener vor, sie
scheint einen ganzen Kopf größer geworden zu sein.“
Eine weitere Besonderheit: das gut funktionierende
WSG-S-Netzwerk
Die Vielzahl der Kontakte zwischen den Schulen entwi-
ckelte sich aus verschiedenen Notwendigkeiten heraus und
dürfte in dieser Form einzigartig sein. So hat der Arbeits-
kreis der Direktorinnen und Direktoren der Sozialwissen-
schaftlichen Gymnasien eine jetzt über 20-jährige Tradi-
tion, zusammen mit seinem Vorläufer, dem „Arbeitskreis
Mädchenbildung“, kann er auf weitere drei Jahrzehnte
zurückblicken. Er hat in den letzten 20 Jahren in mitun-
ter schulpolitisch sehr bewegten Zeiten Erhebliches zur
Eigenständigkeit und Weiterentwicklung des Zweigs bei-
getragen und dessen Interessen gewahrt. Zum Netzwerk
gehören auch die jetzt seit einem Jahrzehnt jährlich abge-
haltenen Lehrgänge der Akademie für Lehrerbildung und
Personalführung Dillingen für die Profilfächer am WSG-S.
Sie stellen sich im Wesentlichen der Aufgabe, einen für
Lehrkräfte arbeitsintensiven Nachteil in den Profilfächern
auszugleichen: Die während der Lehrgänge in zeitaufwän-
digen Workshops entwickelten Unterrichtseinheiten sol-
len nämlich vor allem die fehlenden Lehrbücher in den
Profilfächern, darunter das Kernfach Sozialkunde, erset-
zen. Die Lehrgänge gelten als eine Art Denkwerkstatt für
das WSG-S: Praktiker entwickeln und probieren Neues,
holen die Aktualität in Unterrichtsmodelle und geben
Erfahrungen weiter, z.B. auch für profilfachnahe Seminare.
Zum Alltagsnetzwerk gehören die vielfältigen Kontakte
zwischen engagierten Lehrkräften und die Nutzung einer
im Vergleich zu anderen Fächern notwendigerweise aus-
führlicheren Link-Ebene des ISB auf dessen Internetseite.
Der Zugang erfolgt über die WSG-S-Lehrpläne und führt
zu didaktischen und methodischen Vorschlägen, aller-
dings aus rechtlichen und finanziellen Gründen nahezu
ohne Materialien. Die Handreichung aus dem ISB zum
Fach Sozialpraktische Grundbildung, Untertitel „Nähe
zur sozialen Realität“, unterstützt zusätzlich die Arbeit im
Unterrichtsalltag.
Das WSG-S heute: Herausforderungen – Stärken –
Perspektiven
Das WSG-S bietet gerade für heterogene Gruppen Chan-
cen, gymnasiale Bildung zu erlangen, steht damit aber
ganz besonders vor den Herausforderungen der Integra-
tion bzw. auch Inklusion im weiteren Sinn. Damit folgt
es bis heute seiner ursprünglichen Absicht, Kinder an das
Gymnasium heranzuführen, deren Eltern eine andere
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