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Iran: Der ganz normale Gottesstaat
Einsichten und Perspektiven 2 | 15
Makabere Unterhaltung oder berechnende Geschichtspolitik? Original-Panzer, Raketen und zerstörte Flugzeuge aus dem Iranisch-Irakischen Krieg sind im
Außenbereich des „Holy Defense Museums“ ausgestellt.
tisches Verhältnis zur Demokratie“ hatte, ändert nichts
daran, dass die Amerikaner sich gewaltsam in die inneren
Angelegenheiten Irans einmischten. 
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Auch die systemstabilisierende Wirkung der amerika-
nischen Unterstützung des Schah-Regimes sieht man in
den USA seit der Jahrtausendwende kritisch: „Zwar hat er
viel für die ökonomische Entwicklung des Landes getan,
aber er hat auch den politischen Dissens brutal unter-
drückt.“ 
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Dem Schah trauerten außer den direkt vom
System Profitierenden aus guten Gründen nur wenige Ira-
ner nach – eine der Ursachen für den kometenhaften Auf-
stieg Chomeinis aus dem Pariser Exil heraus ins höchste,
neu geschaffene und auf seine Person zugeschnittene Amt
des Staates: in das des Obersten Rechtsgelehrten. Auch
wenn die neue „islamische“ Regierung mit ihrer religiös
verbrämten Agenda längst nicht den Rückhalt einer so
breiten Mehrheit der iranischen Bevölkerung genoss, wie
die Staatspropaganda es in ihrer Außen- und Innendar-
stellung gerne suggerierte – zunächst schien die Überwin-
dung der autokratischen Pahlavi-Dynastie, der Familie des
Schahs, als große Errungenschaft. 
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Dazu bewies der neue
„religiöse Führer“ eine charismatische Ausstrahlung weit
über den Iran hinaus.
Nicht nur andere religiöse Kräfte in Nahost sahen sich
von der iranischen Revolution inspiriert, 
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der Wirkungs-
grad des Ayatollahs machte auch vor Europa keinen Halt.
„Das ist vielleicht die erste große Erhebung gegen die welt-
19 Lau (wie Anm. 2), S. 406.
20 US-Außenministerin Albright zit. nach Lau (wie Anm. 2), S. 399.
21 Heller beispielsweise schreibt 1980: „Khomeini verdankt seinen phäno­
menalen Aufstieg und seine unterschwellige Verehrung als ‚Imam’ weit
mehr den Fehlern des Schahs und der politischen Verzweiflung des ira­
nischen Volkes als seinen eigenen Leistungen.“ Die Bevölkerung sei der
schlichten Botschaft, die Rückbesinnung auf den Islam löse alle sozialen
und politischen Probleme, erlegen. Erdmute Heller: Staat und Religion in
Iran, in: Merkur. Deutsche Zeitschrift für europäisches Denken, Heft 386,
Juli 1980, 34. Jg., S. 736–742, hier S. 740.
Zu einer ähnlichen Einschätzung kommen Hottinger (wie Anm. 5), S. 213
und Juergensmeyer (wie Anm. 3), S. 92.
22 Kein anderes Land folgte Iran in seiner Umgestaltung zur „Islamischen
Republik“. Dennoch blieb das Vorbild nicht folgenlos: Teheran unterstützte
beispielsweise Anschläge islamistischer Gruppierungen im Libanon, mit
denen die Ära der religiös motivierten Selbstmordattentate eingeleitet
wurde. Künzel (wie Anm. 11), S. 311.
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