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Iran: Der ganz normale Gottesstaat
Einsichten und Perspektiven 2 | 15
Auf Qeshm bauen Arbeiter an den für die Gegend typischen Lendj-Holzschiffen. Die Inselbewohner haben sich viel von der Ursprünglichkeit bewahrt und
pflegen ihre eigenen Traditionen, die von der arabischen Kultur beeinflusst werden.
Die brutale Niederschlagung wurde international zum
Symbol für die Schreckensherrschaft der „Mullahs“ und
ihres „irren“ Präsidenten Ahmadinejad. Die Studentin
Neda wurde zumMärtyrer-Symbol für die vielen Opfer des
Regimes, Friedhöfe rangierten zu neuen Orten des Wider-
stands. Doch das brutale Vorgehen der iranischen Regie-
rung, die ihren „Meister“ erst im Assad-Regime im Zuge
der syrischen Proteste seit 2011 finden sollte, erstickte die
„Grüne Bewegung“ im Keim.
Wer sich im Zusammenhang mit den arabischen Pro-
testen seit dem Jahr 2011 die Frage stellte, wo eigentlich
die Stimme der jungen Iraner in der Region bleibt, dem
hätte ein Blick auf den Umgang mit den Demonstratio-
nen im Jahr 2009 die Antwort geliefert. Nach den Erfah-
rungen mit der Härte des iranischen Regimes überlegt
man es sich dort nun zweimal, ob man sein Leben auf
der Straße riskiert. Nach den anfänglichen Erfolgen des
sogenannten „Arabischen Frühlings“ zu Beginn des Jah-
res 2011 in Tunesien und Ägypten kam es auch in Iran
wieder zu vorsichtigen Protesten. Dem iranischen Regime
bereitete die Protestwelle in Nahost ohnehin Kopfzerbre-
chen: Während Khamenei sich zu Beginn bemühte, die
Demonstrationen als Ausdruck eines „islamischen Erwa-
chens“ im Sinne einer Wiedergeburt der iranischen Revo-
lution von 1979, das der iranischen Anleitung bedürfe, zu
kommunizieren und jeglichen Vergleich mit der „Grünen
Bewegung“ zu entkräften 
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, geriet mit der Zurückweisung
der Vereinnahmung durch die islamistischen Parteien der
arabischen Länder – der tunesischen
Ennahda
wie auch
der ägyptischen Muslimbruderschaft – seine Argumenta-
tion ins Straucheln und kam spätestens mit der Entwick-
lung in Syrien zu Fall. 
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Das iranische Regime positionierte sich zugunsten des
verbündeten Assad-Clans gegen die protestierende Bevöl-
kerung und verlor mangels einer konsistenten Strategie
die Deutungshoheit über die Geschehnisse. Die kleinen
Demonstrationen in Iran wurden wiederum gewaltsam auf-
60 Ausführlich dazu: Oliver Borszik: „Islamisches Erwachen“ statt Selbstbe­
freiung. Irans Aneignungsversuche der arabischen Revolte, in: GIGA Focus
Nahost 3 (2011).
61 Sayyas (wie Anm. 52), S. 266.
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