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werden. Auch wenn es im Bereich der Strukturvertriebe sicher auch transparente und seriöse

Organisationen gibt, sind Menschen immer wieder überrascht, wie schnell sie leichtgläubig

der Vision vom gut zu verdienenden Geld aufgesessen sind, wo doch mit viel Engagement

meist nur wenige Euro zu verdienen sind – und das i. d. R. auch ohne Sozialversicherung.

Wenn Menschen in so einem System scheitern, gerät meist die gesamte Familie in Mitlei-

denschaft – finanziell wie psychosozial. Anfragen bei Beratungsstellen zeigen, dass auch junge

Menschen überlegen, in solche Systeme einzusteigen, vor allem wenn diese mit seriösen

und angesehenen Begriffen wie

Finanzdienstleistung

oder

Vermögensberatung

u. Ä. in der

Öffentlichkeit präsent sind (s. 2.1).

1.2 Hilfe von

Experten

gesucht

Die Versuche, aus diesen Dilemmata von Freiheit, Unsicherheit und Verantwortung bzw. von

Entwicklungsmöglichkeiten, Entwicklungsgrenzen und Entwicklungsüberforderungen auszu-

brechen, sind mannigfaltig. Die zunehmende Vereinzelung der Menschen, die teilweise Ver-

armung kommunikativer Ressourcen einerseits und ein starker Veränderungs- und Anpas-

sungsdruck andererseits zwingen dazu, sich professionelle Hilfe von Fachleuten einzukau-

fen. Dies gilt nicht nur für Fragen rund um Ausbildung und Beruf, sondern auch für die Hilfe

zur persönlichen Gesunderhaltung (vgl. den ungebrochenen Wellness- und Fitnessboom)

oder für die Beratung in Beziehungsangelegenheiten (vgl. wachsende Nachfrage nach Paar-

und Lebensberatung).

Gewerbliche Lebensbewältigungshilfe

In dieser Handreichung soll der Blick auf den expandierenden und diversifizierenden Markt

der gewerblichen Hilfe bei Bildung und Lebensbewältigung gelenkt werden. Die Anbieter

bemühen sich um Kunden, bieten ihre Leistungen frei an, verantworten sie selbst und erwar-

ten einen finanziellen Ausgleich für ihre Arbeit. Das System von Angebot und Nachfrage ist

zugleich auch der schärfste Kontrollmechanismus: Nur was sich verkaufen lässt, überlebt

(länger). Kontrollen, gesetzliche Richtlinien oder Qualitätsstandards gibt es zwar überall dort,

wo Produkte hergestellt werden (genauso z. B. bei einer Matte gegen Erdstrahlen wie bei

hochpotenten Vitaminpräparaten), aber dort, wo es ausschließlich um Dienstleistungen im

Sinne von Lebensberatung oder Angeboten zur Persönlichkeitsentfaltung geht, tritt der Ver-

braucherschutz zurück. Hier ist der Aspekt Vertragsfreiheit sehr umfänglich; Grenzen setzen

hier nur die Bestimmungen des Strafgesetzbuches oder beispielsweise die Gesetze gegen

den unlauteren Wettbewerb, gegen Täuschung oder Betrug (s. 2.1).

Der Markt der gewerblichen Lebensbewältigungshilfe (im Folgenden auch

gewerblicher

Lebenshilfemarkt

) ist ein milliardenschwerer Markt, hart umkämpft wie alle anderen Wirt-

schaftsbereiche auch. Dass es sich hierbei um soziale Angebote handelt, die darauf abzie-

len, anderen Menschen zu helfen, insbesondere dann, wenn diese in Schwierigkeiten oder

Notlagen gekommen sind, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es neben den vielen

seriösen, dem Humanismus verpflichteten Gruppen und Personen auch Anbieter gibt, die

mehr schaden als nützen. Letztere sind manchmal kriminell; meistens aber handeln sie aus

gutem Glauben, sind von sich selbst und ihren Versprechungen überzeugt. Oft aus Selbst-

verliebtheit und Mangel an Einsicht und Verständnis, manchmal auch krankheitsbedingt,

handeln sie ideologisch, sind mehr sich selbst und ihrer Weltanschauung verpflichtet denn

dem Wohle der Menschen, die sich ihnen anvertraut haben. Standards hinsichtlich Qualität

und Seriosität im Bereich von Coachings, alternativen Therapeuten etc., entstehen erst oder

– wo es sie schon lange gibt, wie im gewerblichen Bildungsmarkt (z. B. Sprachreisen) –

manchmal wenig bekannt.