4
teamfähiger, leistungsfähiger werden, damit er profitabler für das das Unternehmen wird bzw.
effektiver und erfolgreicher eingesetzt werden kann.
Es ist daher nicht verwunderlich, dass der Markt an Dienstleistern im Bereich Persönlich-
keitsentwicklung in den vergangenen Jahren quasi explodiert ist. Täglich drängen neue An-
bieter mit immer ungewöhnlicheren Methoden auf den Markt. Sie alle wollen uns dabei be-
hilflich sein, selbstverwirklichte, erfolgreiche und effektive Menschen zu werden. Natürlich ist
das nicht ganz kostenlos, selbst Summen im vier- und fünfstelligen Bereich sind keine Sel-
tenheit. Auch Jugendliche und selbst Kinder sind mittlerweile in den Fokus von Anbietern
geraten, sodass das
Schneller, Höher, Weiter
immer früher beginnen kann. Nicht zuletzt um
mit einem interessanten Werdegang im Wettbewerb um Studien- und Ausbildungsplätze
konkurrenzfähig zu bleiben, werden jährlich Millionen Euro in Forschungs- oder Wissen-
schaftsworkshops, Sprachreisen, Nachhilfecamps u. v. m. investiert (s. 2.2 und 2.3).
Lerntrainings zur Bewältigung der Informationsexplosion
Dabei ist Wissensvermittlung nicht alles! Seit Beginn der Neuzeit steigt das verfügbare Wis-
sen in Gesellschaft und Welt exponentiell. Manche Schätzungen gehen gar von einer Ver-
doppelung des verfügbaren Wissens in einem Zeitraum von 5–12 Jahren aus. Unabhängig
davon, ob man diese Zahl nun für realistisch hält oder nicht, erlebt man immer wieder, dass
das, was man selbst als Schülerin oder Schüler gelernt hat, 10 oder 20 Jahre später veraltet
ist und Neues ganz anders gelernt werden muss. Da die Wissensfülle immer größer wird und
die Spezialgebiete in sich immer komplexer werden, dabei aber auch immer weniger unter-
einander in Beziehung stehen, können Schule und Berufsausbildung letztlich nur ein Basis-
wissen vermitteln. Es geht um Grundfertigkeiten, mit denen man in die Lage versetzt wird,
sich zukünftige Wissensgebiete und Arbeitsbereiche selbständig zu erschließen. Immer mehr
wurde in den letzten Jahrzehnten in Lehrplänen und Unterricht daher Wert auf die Vermitt-
lung entsprechender Schlüsselkompetenzen gelegt, die junge Menschen darauf vorbereiten
sollen, sich stetig selbst neues Wissen und neue Fähigkeiten anzueignen. Für die Vermitt-
lung solcher Kompetenzen greifen Schulen auch auf externe Referentinnen und Referenten
zurück, die dann unter den Stichworten
Motivation
oder
Lerntraining
Schülerinnen und Schü-
ler zum lustvolleren und effektiveren Lernen und Arbeiten befähigen sollen (s. 4.1 und 4.2).
Religionsboom gegen zu viel Freiheit und Eigenverantwortung
Mit Hilfe dieses rasant angestiegenen Wissens hat der Mensch in den vergangenen Jahr-
hunderten große wissenschaftlich-technische Fortschritte errungen. Dadurch ist er immer
unabhängiger geworden. Seit einigen Jahrzehnten sind diese vielfältigen Freiheiten auch im
Alltag spürbar. Es ist wohl nicht untertrieben, hier von revolutionären Veränderungen zu
sprechen, die alle Lebensvollzüge betreffen; sowohl die
Sachdimension
(also der inhaltliche
Wissenserwerb), als auch die
Sozialdimension
(Erwerb von kommunikativen Kompetenzen)
und letztlich auch die
Sinndimension
(Was bleibt, wenn nichts bleibend ist?) stehen in einem
stetigen und schneller werdenden Wandlungsprozess.
1
Die große Freiheit, die sich der
Mensch mühsam erkämpft hat, zeigt neuerdings auch ihre Schattenseiten, denn mehr Frei-
heit bedeutet zugleich mehr Unsicherheit und mehr Verantwortung. Man
kann
sich nicht
mehr entscheiden, man
muss
sich entscheiden. Wenn es keine Selbstverständlichkeiten
mehr gibt, was zu tun und zu lassen ist, was für richtig und was für falsch zu halten ist, was
zu glauben ist und was nicht, wächst der Wunsch nach Halt. Immer stärker ist der Mensch
der Moderne aber auf sich selbst verwiesen. Er muss sich stets aufs Neue motivieren, hat
aktiv sein Wissen zu vertiefen, seine Fertigkeiten zu erweitern, größere Zusammenhänge zu
begreifen und dynamisch neue Entwicklungen anzugehen. Schließlich muss er auch in der
Vielfalt der Lebenswege, Wert- und Sinnangebote sich selbst entwerfen, damit er nicht den
Eindruck hat
gelebt zu werden
, statt zu leben (
Individualisierung
). Doch wie kann eine sichere
Orientierung gelingen? Und gerade wenn der Einzelne scheitert, ein gestecktes Ziel nicht
1
Konzepte nach Niklas Luhmann.