Magazin Einsichten und Perspektiven (Ausgabe 4/13) - page 251

„Ich sterbe im Schoße der Kirche“
Einsichten und Perspektiven 4 | 13
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Zum 70. Todestag veranstaltete die Universität Neuchâtel am
13. Mai 2011 ein Maurice-Bavaud-Symposium. Gleichzeitig
wurde in Hauterive diese Gedenkstele für Bavaud eingeweiht.
Fotos: Martin Steinacher
Alle wesentlichen von Klaus Urner erhobenen Vorwürfe
und Behauptungen können also über ein stringentes Verfol-
gen der bei Maurice Bavaud erkannten christlich-pazifisti-
schen Grundprinzipien entkräftet bzw. widerlegt und somit
gleichzeitig auch die von ihm vor dem Volksgerichtshof be-
nannten Beweggründe als die für die Anschlagsversuche
einzig relevanten verifiziert werden. Die beherrschenden
Leitgedanken seines tiefen Glaubens, die er von frühester
Kindheit an über zwei Jahrzehnte hinweg beständig inter-
nalisiert und nach denen er sein Leben voller Überzeugung
ausgerichtet hatte, sind in allen seinen Verhaltensweisen
rund um das geplante Attentat wiederzuerkennen und von
daher als motivstiftende Maxime seines Handelns evident.
„Ich sterbe also im Schoße der römisch-katholischen Kir-
che“ – so lautet einer der zentralen Sätze aus dem bewegen-
den, vor allem aber auch reifen und klarsichtigen Ab-
schiedsbrief, denMaurice Bavaud am 12. Mai 1941, zwei Ta-
ge vor seiner Hinrichtung, an seine Eltern verfasste.
Am 12. Dezember 1955 wurde Maurice Bavauds
Urteil vom Landgericht Berlin-Moabit nachträglich auf
fünf Jahre Freiheitsstrafe sowie einen ebenfalls fünfjährigen
Verlust der bürgerlichen Ehre reduziert, bevor man ihn
dann 1956 endgültig rehabilitierte und den Hinterbliebenen
in der Schweiz eine Entschädigung von 40.000 Franken zu-
sprach. Um ein Vielfaches wichtiger wäre diesen jedoch
– und dies gilt insbesondere für Adrien, Colette und Hélè-
ne Bavaud, die drei noch lebenden Geschwister von Mau-
rice –, wenn in der schweizerischen Öffentlichkeit, ausge-
hend von Bundespräsident Couchepins Rehabilitierungs-
votum aus dem Jahre 2008, endlich ein angemessenes
Bewusstsein für die versuchte Tat entstehen und jenem
Mann ein ehrendes Andenken bewahrt werden würde, der
mit seinem noch so jungen Leben für Werte und Normen
eingetreten war, die es heute – exakt ein Dreivierteljahrhun-
dert nach seinemmissglückten Attentatsversuch – noch im-
mer zu verteidigen gilt.
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