Table of Contents Table of Contents
Previous Page  6 / 24 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 6 / 24 Next Page
Page Background

6

...der

jugendfrohe

Anfang

der

'JYrannis.

Fortsetzung von Seite 5

serung der Deutschnoten we–

gen, sondern um der zahlrei–

chen dort zu findenden Bei–

spiele vorbildhaften Handelns,

der Selbstlosigkeit und Über–

windung willen, sollten wir

dem guten Buch seinen alten

Rangplatz im Kinderzimmer

zurückgeben. Die stattdessen

weithin üblich gewordene Er–

ziehung durch die Matt–

scheibe führt ja doch letzt–

lich nur zur ..Mattscheibe".

Erziehungshilfe

früher

selbstverständlicher, heute lei–

der vergessener Art leistet

zweifellos die Beschäftigung

mit der Musik. Die Wert–

schätzung von Liebe und

Treue - wo könnten Kinder

ergreifender diese Stimmen

hören als im Volkslied - nicht

nur im deutschen?

Wichtig vor allem scheint

aber auch dies: Die Lebens–

erfahrung und Wertschätzung

älterer Menschen muß bei der

Erziehungsarbeit wieder stär-

Die Vorschriften der Erwachsenen

gelten immer weniger, die Autorität

der Eltern schwindet dahin.

1966

Vor zehn Jah-

ren wagten es

nach eigenen Angaben

62 Prozent der jungen Leute

zwischen 10 und 19 Jahren

nicht, ein Verbot der Eltern

zu übertreten.

Quelle: McCann Jugendstudie 76

1976

Zehn Jahre spä–

ter Ist die Zahl

der zum elterlichen Gehor–

sam bereiten Jugend zwi–

schen 10 und 19 Jahren auf

44 Prozent zusammenge–

schmolzen.

ker mit einbezogen werden.

Sie sollten einfach wieder

mehr zu Wort kommen in un–

seren Familien. Aber nicht nur

den Kindern stünde es gut an,

auf das Wort der Älteren mehr

zu hören.

Das am Horizont der ln–

dustrienationen immer be–

drohlicher aufscheinende Zu–

kunftsproblem der Rohstoff–

verknappung und des Energie–

mangels wird unsere Zeit bald

und auf sehr empfindliche

Weise eine uralte erzieheri–

sche Grundhaltung neu ent–

decken lehren: den heilsamen

Zwang der Sparsamkeit. Auch

an ihn sei hier erinnert.

Bei allem elterlichen Be–

mühen, den Kindern die Su–

che nach Werten und Sinn zu

erleichtern, gehören zweifel–

los die christlichen Kirchen

mit zu den besten Helfern. Ihre

Lehren schaffen nicht nur

Klarheit über das sittliche

Handeln. Sie sind zugleich

auch die besten Stabilisatoren

dafür. Was könnte dem Leben

unserer Kinder in der Gemein–

schaft besser zum Gelingen

verhelfen als ein sicherer

Glaube an den Schöpfergott

und damit an eine höhere

Zweckbestimmung irdischen

Lebens?

An dieser Stelle sei noch

an eine oft übersehene andere

Grundregel der Erziehung er–

innert: Es führt kaum zum

Erfolg, die Kinder nur durch

Tadel. Verbot und Kritik, das

heißt negativ, lenken zu wol–

len (.. Halte dich gerade!").

Erziehen heißt auch: Den

eigenen Elternblick für das

Liebenswürdige der Kinder zu

schärfen und nicht nur auf

ihre Fehler zu starren. Man

sollte sie darum täglich loben.

Jedes Kind wartet darauf und

verdient es auch, in den Arm

genommen zu werden. Ein

Kraulen im Haar, die unver–

mutet gekochte Leibspeise,

ein lustiger Zettel oder das

Betthupferl auf dem Kopfkis–

sen: Kinder brauchen solche

konkreten, körperlich spürba–

ren Beweise der elterlichen

Zuwendung. Dadur-:-h werden

sie viel eher geneigt, auch das

elterliche Verbot, den befohle–

nen Verzicht anzunehmen.

Mit an vorderster Front un–

ter den .. Rahmenbedingun–

gen" der Erziehung steht

selbstverständlich das bei–

spielhafte Handeln der Er–

zieher. Ob Eltern oder Lehrer:

Ihre Vorbildwirkung im Guten

wie im Schlechten wird durch

nichts übertroffen.

Alle diese hier nur gestreif–

ten pädagogischen Haus- und

Lebensregeln (mancher ·mag

sie getrost für altmodisch hal–

ten) haben etwas gemein–

sam: Sie zeigen nämlich, daß

die Inhalte der Erziehung nicht

in gleicher Weise lehrbar sind

wie etwa Verkehrsregeln, la–

teinische Vokabeln, chemi–

sche

Forrr~eln .

Darum wäre es

ein großer Irrtum, die Über–

windung unserer gegenwärti–

gen Erziehungskrise oder gar

die Verhinderung der Jugend–

kriminalität von der Schule zu

erwarten. Gewiß richtet sich

die Herausforderung auch an

sie, bleibt auch sie in der

Pflicht, das erzieherische De–

fizit unserer Zeit auffüllen zu

helfen. Dabei mag man an

(

·

Vertiefung der Rechtspädago .,.

gik, die Betonung der poli–

tisch-geschichtlichen sowie

der philosophisch-religiösen

Grundkenntnisse denken.

Aber alles staatliche Enga–

gement kann in der Erziehung

nur flankierende Maßnahme

sein. Die eigentliche· Arbeit

steht und fällt mit dem Einsatz

in den Elternhäusern, mit dem

dort vorhandenen oder verra–

tenen Mut. Grenzen zu ziehen,

Orientierungspunkte zu geben

und deren Respektierung not–

falls auch zu erzwingen. Nur

aus der Wertsatzung wächst

die Wertschätzung.

Daß diese Elternaufgabe

entbehrungsreicher, unbeque–

mer und härter ist als es die

Grundsätze der Lässigkeits–

erziehung waren, muß u -

klar sein. Sie fordert von o

c

Eltern eine Form der Liebe,

die die Bereitschaft zum Kon–

flikt und das tägliche Schwim–

men gegen den Strom ein–

schließt. Sie fordert Willen

und Mut. Sie fordert die Kraft,

im Erziehungsalltag auch und

gerade das Unbequeme richtig

zu finden, es durchzusetzen.

Seien Sie überzeugt, liebe EI–

tarn: Die Jugend selbst erwar–

tet es von Ihnen. Auch ist der

Kreis der Gutgesinnten, der

um Sie steht, unendlich dich–

ter und größer als es uns die

veröffentlichte Meinung glau–

ben machen will.

Wie wird die Welt von mor–

gen aussehen? Das hängt da–

von ab, ob wir als Eltern heute

zu handeln bereit sind. Der

Weg zur Tyrannei führt über

den Erziehungsverzicht der

Erwachsenen.

e