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Schüler des Aschaf–

fenburger Kronberg–

Gymnasiums helfen

kleinen Vietname–

sen, in Deutschland

heimisch zu werden.

A

lies fertig", strahlt My

Dung

(8)

und reicht ih–

ren Arbeitsbogen der

siebzehnjährigen Barba–

ra. Die Gymnasiastin prüft,

was das mandeläugige kleine

Mädchen geschrieben hat:

Peters Ei ist rot. Evas Ei ist

braun . .. "

Barbara nickt:

Sehr schön. Nun lies es

~or. "

"Peters Ei ist Iot. Evas

Ei ist blaun", liest My Dung.

Rrot - brraun", verbessert

Barbara. My Dung bemüht

sich, aber der Laut will nicht

recht von der Zunge gehen.

ln der Hausaufgabenrunde

sitzen außer My Dung noch

drei weitere Erstkläßler: Quy

und Son, beide acht, und der

neunjährige Thuy. Sie sind

alle über das ABC-Schützen-

20

Ganz schön schwie–

rig, diese Haus–

aufgaben ln deut–

scher Sprache!

Gut, daß Uta (oben)

und Gabl (rechts

und Tltelfoto) helfen.

.....

diese kle1nen Vietnamesen

zwölftausend Kilometer von

Aschaffenburg entfernt in

einem thailändischen Flücht–

lingslager. Und als sie mit Ei–

tern Geschwistern und ande–

ren

~ietnamesischen

Familien

auf dem Frankfurter Rhein–

Main-Fiughafen

landeten,

sprach keines von ihnen auch

nur ein Sterbenswörtchen

deutsch.

Heute drücken

19

Kinder.

aus Fernost die Schulbank

g~

meinsam mit "Aschebergs:L'

Buben und Mädchen. An ei–

ner ganz normalen bayeri–

schen Grundschule. "Das ist

für unsere vietnamesischen

Kinder unendlich schwer",

sagt die Sozialbetreuerio Eri–

ka Dexel. "Ob alle die Schu–

le schaffen werden, ist unge–

wiß. Eine große und unent–

behrliche Hilfe sind jedoch

die 20 Schülerinnen und

Schüler des Kronberg-Gym–

nasiums, die sich in die Haus–

aufgabenbetreuung

teilen.

jeden Nachmittag arbeiten 4

Gymnasiasten bis zu 2

Stu~den mit den Kindern, dam1t

sie die sprachliche Hürde

schneller überwinden ." Und

diese sprachliche Hürde hat's

in sich: Unter europäischeM

Sprachen gibt es Ähnlichkei–

ten aber zwischen Vietna–

me~isch

und Deutsch nicht

die geringste!

Frau Dexel ist die "Pflege–

mutter" der

12

kinderreichen

Vietnamesenfamilien

85

Personen insgesamt"-, die im

Übergangswohnheim

für

Spätaussiedler in Aschaffen–

burg eine erste Bleibe auf

deutschem Boden gefunden

haben. " Ich bewundere den

Idealismus der Gv.mnasia–

sten", sagt sie, "und bin ih–

nen für den freiwilligen, un–

entgeltlichen Einsatz von

Herzen dankbar!"

Der Krieg und die Flucht

vor den Kommunisten mach–

te Tausende vietnamesischer

Familien heimatlos. Die USA

und

mehrere

westeuro–

päische Länder erklärten sich

bereit, den Flüchtlingen eine

neue Heimat zu geben. Auch

die Bundesrepublik nahm

über tausend dieser schwer–

geprüften Menschen auf. Der

Weg zurück ist ihnen, anders

als den Gastarbeitern, für im–

mer verschlossen. Nach eini–

gen Jahren werden sie die

deutsche Staatsangehörigkeit

erhalten.

Nach Bayern kamen - zwi–

schen Juli

1976

und Februar

1977 -

jene 85 Flüchtlinge,

die vorläufig in Aschaffen–

burg leben . Ein kleines

Grüppchen, das die zustän–

digen Behörden vor große

Probleme stellt. Denn wenn

sich schon griechische und

jugoslawische .Gasta_rbeiter

schwer bei uns emgewohnen,

wie sollen dann erst diese

asiatischen Menschen mit ih–

rer ganz anderen Kultur und

Mentalität in Deutschland

Wurzeln schlagen? Noch da–

zu, wenn die Sprachbarriere

wie eine Trennwand zwi–

schen ihnen und uns steht?

Diesen Schwierigkeiten ist

~icht

nur von der Verwaltung

und den karitativen Organi–

sationen beizukommen"

r

sagt

Dr. Singbartl vom Bayeri–

schen Staatsministerium für

Arbeit und Sozialordnung.

Deshalb ist eine menschli–

~he

Initiative wie die der

Aschaffenburger Gymnasia–

sten sehr zu begrüßen. " Den

Anstoß

zur Freundschaft

zwischen -den vietnamesi–

schen Flüchtlingskindern und

den unterfränkischen Gym–

nasiasten gab der Franzö–

sischlehrer Wolfgang Rosen–

herger vom Aschaffenbu rger

Kronberg-Gymnasium.

Er

war

der erste sprachliche Vermitt–

ler zwischen den Neuan–

kömmlingen und ihren deut–

schen Betreuern . Denn zur–

Glück sprach eine Vietnam

sin französisch. Oberstudien–

rat Rosenherger schlug sei–

nen Schülern vor, mit den

schulpflichtigen vietnamesi–

schen Kindern Deutsch zu

lernen. S1::1ontan bildete sich

ein Team aus 8 bis

10

Schü–

lern. Inzwischen machen über

20 mit - von der 9. bis zur

13.

Klasse. Wolfgang Rosen- /

berger erinnert

si~h

an die{

Zeit als man be1m Punkt

Null anfing. "Es war schwie–

rig. Die Kinder verstanden )a

kein einziges Wort. Aber d1e

Not macht erfinderisch. Wir

zeichneten: einen Baum, ein

Haus, ein Kind . . . und sag–

ten die deutschen Wörter

dazu." Die Kinder begriffen

schnell und begannen deutsch

zu sprechen. Wenn

Wo~~~

fehlten half man sich pan ../

mimisch, das heißt mit Hän–

den und Füßen. Schon 2 Mo–

nate nach ihrer Ankunft in

Deutschland wagte man den

Versuch, die ersten Vietname–

sischen Kinder zusammen