Erdkunde
Raumprägende Eingriffe
des Menschen, wie hier ein
Braunkohleabbau, errei–
chen im Zeitalter der Tech–
nik früher unvorstellbare
Ausmaße. Der moderne
Erdkundeunterricht
schließt davor nicht die
Augen. Mit Themen aus
den Bereichen Umwelt-
schutz und Ökologie ge–
winnt die oft noch immer
als Lernfach mißverstan-
dene Geographie neue
Dimensionen.
Ob Chemieanlage oder Kies–
grube, Schotterwerk oder Berg–
lift, Stausee oder Überlandlei–
tung: Moderner Geographieun–
terricht, in dessen Mittelpunkt
der Mensch und seine Eingriffe
in die Umwelt stehen, findet
sein Studien- und Anschau–
ungsmaterial vor der Schultür.
Noch keine frühere Genera–
tion war so unmittelbar betrof–
fen von aktueller Geographie
wie die gegenwärtige. Keine
bekam die Bedrohung unseres
"blauen Planeten" durch rück–
sichtsloses Ausspielen der tech–
nischen Möglichkeiten und ra–
dikales
Umgestalten
des
menschlichen Lebensraumes
derart hautnah zu spüren.
Hieraus erwächst dem Fach
dkunde eine völlig neue Di–
mension. Man könnte sogar
von einer Iebens- und überle–
benswichtigen Aufgabe spre–
chen . Es gilt, den Schülern klar
zu machen, daß der Mensch
mit seinen Ansprüchen den ver–
fügbaren Raum zum Guten
oder zum Schlechten hin nutzt.
jeder Eingriff in den Raum kann
Leben fördern , aber auch stö–
ren und zerstören.
Wenn es richtig ist, daß die
Umweltkrisen auf der Erde
letztlich Innenweltkrisen der
Menschheit sind, dann hat das
Fach Geographie heute zwei–
fellos auch ethische Aufgaben
zu erfüllen . Es dient der Werter–
ziehung, weckt und schärft das
Umweltgewissen.
ln diesem Unterricht erkennt
der Schüler: Das Raumschiff Er–
de muß pfleglich behandelt
werden. Irreparable Eingriffe in
sein empfindliches Gleichge–
wicht sind zu unterlassen. Was
es heißt, darauf zu verzichten,
alle technische Macht rück–
sichtslos auszuspielen - wo
könnte ein junger Mensch heu–
te raumverantwortliches Han–
deln dieser Art ähnlich beispiel–
haft lernen und es sich für sein
eigenes Leben zum Ziel setzen
wie im Geographieunterricht?
Kartenlesen ist
Kulturtechnik
Wenn die moderne Erdkunde
auf diese Weise zweifellos eine
Verhaltensmoral ansteuert, so
will sie dennoch weder dem
Fach Ethik noch der Sozialkun–
de, weder der Philosophie
noch dem Religionsunterricht
Konkurrenz machen . Auch in
ihrer neuen Gestalt ist und
bleibt die Geographie eine
Raumwissenschaft. Sie verliert
nicht den Boden der konkreten
Naturgegebenheiten unter den
Füßen.
Nach wie vor informiert sie
über Länder und Meere, Ge–
birgsmassive und Flußsysteme,
Klimazonen und Rohstofflager,
Anbaugebiete und Industrie–
landschaften . Auch wenn nur
ausgewählte Beispiele davon
vorgestellt werden, gewinnen
die Kinder daraus im Laufe der
Jahre dennoch ein Gesamtbild
der Erde.
Das Wissen über Lage und
Größe einzelner Länder oder
Kontinente, bedeutender Städ–
te, Flüsse und Gebirge ist kein
alter Zopf. Auch im Zeitalter
des Schnellverkehrs und der
Überschallflugzeuge, des Fern–
sehens und der grenzüber–
schreitenden Touristenströme.
Wohl dem, der aus der Schu–
le eine klargezeichnete geistige
Landkarte ins Leben mitnimmt.
Er besitzt damit nicht nur ein
Luxuswissen für Kreuzworträt–
sel, sondern verfügt über eine
unverzichtbare Orientierungs–
hilfe.
Die Kulturtechnik des Kar–
tenlesens, erworben im Geo–
graphieunterricht, ist eine für
die Lebenspraxis wertvolle, oft
sogar unerläßliche Fertigkeit.
Und sei es nur beim Planen
einer Urlaubsreise.
Noch wichtiger allerdings als
die Lage südlicher Touristen–
ziele und Sonnenstrände soll–
ten uns freilich genaue Raum–
vorstellungen über Mitteleura–
pa sein, über unser geteiltes
Vaterland . Die Geographie
Deutschlands, und zwar nicht
nur seiner westlichen Hälfte, ist
von außerordentlicher Bedeu–
tung für die politische Bildung.
Blieben die Schüler im Un–
terricht am Eisernen Vorhang
stehen, dann entstünde für sie
mitten im Herzen Europas ein
neuer weißer Fleck auf der
Landkarte. Darum findet der
Auftrag des Grundgesetzes, die
Einheit Deutschlands wieder–
herzustellen, in einem Geogra–
phieunterricht, der auch die al–
ten deutschen Landschaften
Thüringen und Sachsen, Pom–
mern und Schlesien den Schü–
lern nahebringt, einen seiner
besten Verbündeten .
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