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AllesWohlberuhtaufPaarung.

Wie dem Leben Poesie

Fehle Maggis Suppennahrung

Maggis Speisewürze nie!

D

ie Würze dieser Werbe–

verse liegt in ihrem Ver–

fasser: Der Dichter Frank

Wedekind schrieb sie, der die

Weit mit "Frühlings-Erwa–

chen" schockte und sich da–

mit sein literarisches Denkmal

setzte.

Das Jung-Genie brauchte

Bares. Darum verdingte sich

Wedekind als Werbetexter für

Suppenwürfel. Und so schnitt

er im Dienste seiner Firma ah–

nungsvoll ein Thema an, das

erst heute - knapp hundert

Jahre später- die Gemüter so

richtig bewegt, nämlich den

Schulstreß. Wedekind im Jah–

re 1886 mit erhobenem Zei–

gefinger:

"Die Oberbürdung der heu–

tigen Schuljugend wird noch

immer von dieser oder jener

maßgebenden Seite geleug–

net; und doch ist wohl kaum

noch Zweifel darein zu set–

zen, daß sie mehr ist als eine

in den Köpfen einiger nichts–

nutziger Faulenzer ausge–

heckte Fabel.

Eher wäre es ein Wunder

zu nennen, wenn sie nicht

statthätte, da schon zu Ab–

schreckungszwecken die Ex–

amina von Jahr zu Jahr er–

schwert werden, und die stets

fortschreitende Wissenschaft

immer mehr Material hinzu–

führt, ohne daß das alte in

gleichem Maße beseitigt

würde.

Daß unter diesen Verhält–

nissen die Gesundheit der

Schüler ungemein leidet, ist

selbstverständlich

-

zumal

wenn von seilen der Eltern

durch eine rationelle Ernäh–

rungsweise dem Obel nicht

wirksam entgegengearbeitet

wird.

Die ansprechendste, unse–

rem Geschmack zusagendste

Verwirklichung hat die ratio–

nelle Ernährungsweise in

Maggis Suppen-Nahrung ge–

funden, die sich ohne Zweifel

über kurz oder lang im Verein

mit Maggis Bouillon-Extrakt in

jede solide Haushaltung ein–

bürgern wird."

Nichts gegen ein gutes

Süppchen, wenngleich dem

Dichter Wedekind die Emp–

fehlung aus verständlichen

Gründen wohl etwas zu ein–

seitig geraten ist. Dennoch

hat er hellseherisch den Fin–

ger auf eine schwärende

Wunde gelegt, die fortwäh–

rend und niemals stärker als

heute ihrer Heilung harrt.

Aber wie soll das geschehen?

Wer wird so altmodisch

sein, zur Vorbereitung auf ein

Examen Lernen und Arbeiten

zu empfehlen oder zu raten,

Früher kam der Geist aus der

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DIEMAN

SCHLUCKEN

KANN

Matt ln Mathe, lahm in Latein, fru–

striert ln Französisch- Können Pillen

da helfen? Die Werbung behauptet es.

Pflicht und Vergnügen in ein

ausgewogenes Verhältnis zu

bringen? Sympathischer sind

da schon Schlaraffenschulen

ohne Zeugnisse, Lehrer, die

keine Leistung verlangen, Ei–

tern, die jede Fünf auch gera–

de sein lassen.

Das allerneueste Mittel ge–

gen die Misere führt indes wie

zu Wedekinds Zeiten wieder

durch den Magen . So w ie der

Dichter die Suppenwürze als

Wunderwaffe gegen den

Druck der Examina anpries,

ebenso springen heute Phar–

ma-Firmen in die Bresche,

wenn es gilt, den Schulstreß

zu bekämpfen. Suppen und

Soßen sind vom Dienst sus–

pendiert. Jetzt gibt es Raffi–

nierteres: "Gehirnspezifische

Aufbaustoffe, rein biologische

Hirn- und Nervennahrung er–

höhen die Energie, verleihen

größere Ruhe, geben Vitalität

und Aktivität. " So schreiben

die Nachfolger Frank Wede–

kinds, die Werbetexter auf

dem pharmazeutischen Feld.

Sie lassen durch Säfte Kräfte

mobi Iisieren .

Wie einst das Schwabinger

Jung-Genie bieten sie wieder

die ganze Wucht der Wissen–

schaft auf, um uns klar zu ma–

chen, wie Lernprobleme und

Konzentrationsschwäche ein

für allemal zu beheben sind .

Da werden Tränklein oder Pi I-

len angepriesen, die bei

"Schulkrisen die Hauptsym–

ptome abbauen, die speziell

Konzentrationsschwächen,

Lernstörungen, rasche Ermüd–

barkeit und Kontaktschwierig–

keiten durch Normalisierung

des zerebralen Glukosestoff–

wechsels, durch Förderung

des Proteinsynthese-Systems

und durch Aktivierung wichti –

ger kortikaler und subkortika–

ler Hirnregionen" kurieren.

Selbstverständlich haben

Sie, lieber Leser, alles verstan–

den. Das sind ja wahre Wun–

derwaffen, werden Sie den–

ken. Aber nicht doch. Seriöse

Arzneimittel-Hersteller ver–

kaufen keine Nürnberger

Trichter. Sie wissen und sagen

es ganz klar: ln diesen Pillen

und Säften steckt viel, was der

Körper vielleicht gut gebrau–

chen kann . Aber klüger w ird

man dadurch nicht. Den

Geist aus der Flasche, den

Genius in der Pillendose, die

Intelligenz zum Schlucken -

sie sind leider noch nicht er–

funden, der Apotheker hat sie

nicht im Regal.

Wer sich vom frühen

Abend bis spät in die Nacht

durch alle Fernsehprogramme

getastet, den Kanal sozusagen

echt voll hat, dem helfen we–

der Vitamin noch Lecitin am

nächsten Tag bei der Prüfung.

Wenn er gar noch zu den har–

ten Sachen greift, vom Auf–

putschmittel bis zum Tranqui–

lizer, steht er am Beginn sei–

ner Selbstzerstörung, am An–

fang vom Ende.