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1 Dialektförderung in der Schule – Grundlagen, Ziele, Maßnahmen: Eine Standortbestimmung

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3 Vgl. hierzu „Immaterielles Kulturerbe“ der UNESCO und „Bayerisches Landes-

verzeichnis des immateriellen Kulturerbes“.

Die explizit postulierte „Liebe zur bayerischen Heimat“ impliziert naturgemäß

auch die in Bayern gesprochenen Idiome, die es zu pflegen und zu erhalten

gilt. Die Gründe dafür sind vielfältig und in unterschiedlichen Bereichen ange-

siedelt; diese sind historischer, sprachlicher und affektiver Natur (in Anlehnung

an Schießl/Bräuer, 2012, S. 51):

Durch den sich immer rascher vollziehenden Rückgang der Verwendung

von Mundart ist es wichtig, auf die Bedeutung des Dialekts als gleich-

wertige und gleichberechtigte Sprachvarietät des Deutschen mit einem

eigenständigen, in sich geschlossenen Sprachsystem im Rahmen eines

sprachlichen Kontinuums aufmerksam zu machen.

Aufgrund von wissenschaftlichen Erkenntnissen gilt es inzwischen als weit-

gehend gesichert, dass Dialektkompetenz im Rahmen und als Bestand-

teil einer „mehrsprachigen“ Erziehung zusammen mit der Standard-

sprache zu einem erhöhten Sprachbewusstsein beiträgt.

Durch ihre jeweilige Individualität, ihre Lebendigkeit, ihre Affekthaltigkeit,

ihren lexikalischen Reichtum, ihre Bildhaftigkeit, ihre Expressivität und ihre

Klangfülle sind Dialekte ein zusätzliches Plus an sprachlicher Ausdrucks-

fähigkeit und ein Wert an sich.

Darüber hinaus vermitteln sie ihren Sprecherinnen und Sprechern emo-

tionale Nähe, Vertrautheit, Authentizität und Identifikation, schlagen die

Brücke zur Historie und den Traditionen eines Raumes und geben im Sin-

ne eines immateriellen kulturellen Erbes

3

und kollektiven Gedächtnisses

mit einer zeitlosen Wertigkeit Zeugnis von der sprachlichen und kulturel-

len Vielfalt einer Region und eines Landes.

Nach wie vor ist der Dialekt in vielen Bereichen vor allem des ländlichen

Raumes eine lebendige Sprachvarietät.

In den letzten Jahren sind in unserer Gesellschaft in breiten Bevölkerungs-

kreisen eine zunehmend wohlwollende Einstellung und Akzeptanz dem

Dialekt als Kommunikationsmittel gegenüber zu verzeichnen, und zwar

gerade auch in der jüngeren Generation.

Diese positive Sichtweise geht einher mit einer Haltung, die man als „be-

wusste Regionalität“ bezeichnen kann. Im Zeitalter der Globalisierung

sind Menschen mit Kulturen der ganzen Welt vernetzt, besinnen sich aber

auch wieder bewusst ihrer regionalen Kultur und Sprache. Dieses Phäno-

men ist besonders in der Musik zu spüren (vgl. Decher, 2012).

Relativierende Faktoren und Voraussetzungen

Bei der Formulierung der Ziele, Ansprüche, Inhalte und Kompetenzerwar-

tungen, die eine zeitgemäße schulische Dialektförderung allgemein und im

Einzelfall erfüllen sollte, müssen in Bezug auf ihre praktische Umsetzung im

Unterrichtsalltag eine Reihe von Faktoren berücksichtigt und Prämissen erfüllt

werden. Diese betreffen die Schulart, den Standort, die Zusammensetzung

der Schülerschaft und der Schulklassen, die Eltern und Lehrkräfte, das Selbst-