1 Dialektförderung in der Schule – Grundlagen, Ziele, Maßnahmen: Eine Standortbestimmung
MundART WERTvoll – lebendige Dialekte an bayerischen Schulen
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1 Dialektförderung in der Schule – Grundlagen,
Ziele, Maßnahmen: eine Standortbestimmung
von Dr. Ludwig Schießl
Ausgangslage
„Dialekt und Schule“ ist ein Thema, das schon häufig zu kontroversen Diskus-
sionen geführt hat.
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Vor allem im Nachgang zu den in den sechziger Jahren
des 20. Jahrhunderts von dem britischen Soziologen Basil Bernstein getroffe-
nen Feststellungen zur negativ besetzten Rolle des Dialekts im Rahmen der
sprachlichen Entwicklung von Heranwachsenden machten sich Tendenzen
breit, die darauf abzielten, Mundarten zu diskreditieren:
Jahrzehntelang wurde der Dialekt [deshalb] verachtet, galt als herunter-
gekommene, verderbte Form der Sprache. Auf allen Stufen der Erziehung
war [sic] mundartlicher Klang und Wortschatz verpönt und sollte den Kin-
dern ausgetrieben werden (Zehetner, 2009, S. 12).
Dies führte sogar so weit, dass der Linguist Peter Rosenberg 1993 davon
sprach, dass die Schule in didaktischer Hinsicht ein „Dialekt-Sperrbezirk“ sei
(vgl. Rosenberg, 1993, S. 44 f.), und noch im Jahr 2004 wählte der Sprach-
wissenschaftler Rupert Hochholzer für seine Habilitationsschrift den Titel
„Konfliktfeld Dialekt“. Der germanistische Linguist Steffen Arzberger schließ-
lich stellte 2008 in einem Aufsatz die provokante Frage: „Dialekt in der Schule –
Freund oder Feind?“
Ende der neunziger Jahre hatte jedoch ein gewisses Umdenken eingesetzt,
das durch die Erkenntnisse der Soziolinguistik, der Varietätenlinguistik, der
Hirnforschung und der Spracherwerbsforschung ein wissenschaftliches Funda-
ment erhielt. Dialekte, so der Tenor, seien keine wie immer gearteten defizitä-
ren sprachlichen Ausprägungen auf der untersten Stufe eines hierarchischen
Systems, sondern gleichwertige Varietäten in einem sprachlichen Kontinuum.
Demzufolge sind die Kriterien für ihren Stellenwert nicht mehr subjektive As-
pekte wie etwa Klang und Sozialprestige, sondern Adressatenbezug und situ-
ativer Kontext. Je nach Anlass und Gesprächspartner und -partnerin wird – im
Sinne der inneren Mehrsprachigkeit und des damit einhergehenden Codeswit-
ching – von einem Idiom in das andere gewechselt. Dies ist übrigens nachweis-
lich eine positive Voraussetzung für den späteren Fremdsprachenerwerb, d. h.
die äußere Mehrsprachigkeit (vgl. zum bisher Ausgeführten Hochholzer, 2015,
S. 82–84, Ruch, 2015, S. 38–40 und Zehetner, 2014, S. 14–18).
Öffentlich ausgelöst, medial vermarktet, politisch aufgegriffen und in curricu-
lare sowie pädagogische Bahnen gelenkt wurde dieser Sinneswandel in Bayern
durch den Fall des Schülers Florian aus Otterfing, dem seine Grundschullehrerin
1 Im Folgenden werden die Wörter „Dialekt“ und „Mundart“ als Synonyme verwen-
det.