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Einsichten und Perspektiven Themenheft 1 | 16
Hitlers
Mein Kampf
– Perspektiven für die historisch-politische Bildungsarbeit
Materialien
Text 3: Staatsbürgerrecht
Mein Kampf:
Der völkische Staat
teilt
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seine Bewohner in drei Klassen: In
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Staatsbürger, Staatsangehörige und Ausländer.
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Durch die Geburt wird grundsätzlich nur die
Staatsangehörigkeit
erworben. Die Staatsangehörigkeit als solche
berechtigt noch nicht zur Führung öffentlicher Ämter, auch nicht zur politischen Betätigung im Sinne einer
Teilnahme an Wahlen, in aktiver sowohl als in passiver Hinsicht. [Text an dieser Stelle gekürzt, UB]
Der
Ausländer
unterscheidet sich vom Staatsangehörigen nur dadurch, daß er eine Staatsangehörigkeit in
einem fremden Staate besitzt.
Der junge Staatsangehörige deutscher Nationalität ist verpflichtet, die jedem Deutschen vorgeschriebene
Schulbildung durchzumachen. Er unterwirft sich damit der Erziehung zum rasse- und nationalbewußten
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Volksgenossen.
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Er hat später den vom Staate vorgeschriebenen weiteren körperlichen Übungen zu genügen
und tritt endlich in das Heer ein. Die Ausbildung im Heere ist eine allgemeine; sie hat jeden einzelnen Deut-
schen zu erfassen und für den seiner körperlichen und geistigen Fähigkeit nach möglichen militärischen Ver-
wendungsbereich zu erziehen. Dem unbescholtenen gesunden jungen Mann wird daraufhin nach Vollendung
seiner Heerespflicht in feierlichster
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Weise das
Staatsbürgerrecht
verliehen. Es ist die wertvollste Urkunde für
sein ganzes irdisches Leben. [Text an dieser Stelle gekürzt, UB]
Die Verleihung der
Staatsbürgerurkunde
ist zu verbinden mit einer weihevollen Vereidigung auf die Volksge-
meinschaft
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und auf den Staat. In dieser Urkunde muß ein alle sonstigen Klüfte überbrückendes, gemeinsam
umschlingendes Band liegen.
Es muß eine größere Ehre sein, als Straßenfeger Bürger dieses Reiches zu sein, als
König in einem fremden Staate.
[Text an dieser Stelle gekürzt, UB]
Das deutsche Mädchen ist Staatsangehörige und wird mit ihrer Verheiratung erst Bürgerin. Doch kann auch
weiter
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den im Erwerbsleben stehenden weiblichen deutschen Staatsangehörigen das Bürgerrecht verliehen
werden.
Quelle: KE, Bd. 2, S. 1117/1119.
Kommentar:
13 Diese Passage verweist bereits auf das im Rahmen der
Nürnberger Gesetze
erlassene
Reichsbürgergesetz
vom
15.9.1935, das die Bevölkerung nach »Staatsangehörigen« und »Reichsbürgern« ordnete. Als Staatsangehöri-
ger galt, »wer dem Schutzverband des Deutschen Reiches angehört, und ihm dafür besonders verpflichtet ist«.
Die Staatsangehörigkeit wurde weiterhin automatisch per Geburt erworben. »Reichsbürger« war hingegen
»nur der Staatsangehörige deutschen oder artverwandten Blutes, der durch sein Verhalten beweist, daß er
gewillt und geeignet ist, in Treue dem Deutschen Volk und Reich zu dienen«. Nur er galt als »der alleinige
Träger der vollen politischen Rechte nach Maßgabe der Gesetze«. Nach der
Ersten Verordnung zum Reichsbür-
gergesetz
vom 14.11.1935 konnten Juden prinzipiell keine Reichsbürger werden. Das bereits am 14.7.1933
erlassene
Gesetz über den Widerruf von Einbürgerungen und die Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit
schuf darüber hinaus die scheinlegale Grundlage, um rechtskräftig vollzogene Einbürgerungen aus der Zeit
der Weimarer Republik zu widerrufen. Diese konnten nun nach vagen »rassischen, staatsbürgerlichen und
kulturellen Gesichtspunkte[
n
]« als »unerwünscht« deklariert und damit außer Kraft gesetzt werden. Die Mög-
lichkeit einer gerichtlichen Nachprüfung bestand nicht. Die
Verordnung über die deutsche Staatsangehörigkeit
vom 5.2.1934 hatte zudem die Staatsangehörigkeit in den einzelnen Ländern abgeschafft, sodass es nur noch
eine einheitliche Reichsangehörigkeit gab.
Vgl. RGBl. 1935/I, Zitate S. 1146, 1333; MAJER, Fremdvölkische, S. 195–207; TREVISIOL, Einbürgerungspraxis, S. 52–57; OLTMER, Migra-
tion (2005), S. 51 f.; Kap. II/15, Anm. 118.
Quelle: KE, Bd. 2, S. 1116.