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Einsichten und Perspektiven Themenheft 1 | 16

Hitlers

Mein Kampf

– Perspektiven für die historisch-politische Bildungsarbeit

Text 4: „Lebensraum im Osten“

Mein Kampf:

Ich

#

erinnere mich noch selber

#

, wie in meiner Jugend gerade diese Bezeichnung zu ganz unglaublich falschen

Vorstellungen verleitete[,] [Text an dieser Stelle gekürzt, UB] wobei man sich nicht im geringsten darüber

klar wurde, daß

Germanisation

nur an

Boden

vorgenommen werden kann und niemals an

Menschen.

12

Denn

was man im allgemeinen unter diesem Wort verstand, war nur die erzwungene äußerliche Annahme der

deutschen Sprache. Es ist aber ein kaum faßlicher Denkfehler, zu glauben, daß, sagen wir, aus einem Neger

oder einem Chinesen ein Germane wird, weil er Deutsch lernt und bereit ist, künftighin die deutsche Sprache

zu sprechen und etwa einer deutschen politischen Partei seine Stimme zu geben. Daß jede solche Germani-

sation in Wirklichkeit eine Entgermanisation ist, wurde unserer bürgerlichen nationalen Welt niemals klar.

13

Denn wenn heute durch das Aufoktroyieren

#

einer allgemeinen Sprache [

die

] bisher sichtbar in die Augen

springende[

n

] Unterschiede zwischen verschiedenen Völkern überbrückt und endlich verwischt werden, so

bedeutet dies den Beginn einer Bastardierung und damit in unserem Fall nicht eine Germanisierung, sondern

eine Vernichtung [

des

] germanischen Elementes. Es kommt in der Geschichte nur zu häufig vor, daß es den

äußeren Machtmitteln eines Eroberervolkes zwar gelingt, den Unterdrückten ihre Sprache aufzuzwingen, daß

aber nach tausend Jahren ihre Sprache von einem anderen Volk geredet wird und die Sieger dadurch zu den

eigentlich

#

Besiegten werden.

Quelle: KE, Bd. 2, S. 995/997.

Kommentar:

12 Als »Germanisation« von Boden bezeichnete Hitler die Eroberung, Besiedelung und Urbarmachung frem-

den Territoriums durch die »germanische Rasse«. Eine »Germanisierung« der auf jenem Territorium ansässi-

gen Bevölkerung hielt Hitler für unmöglich; er war der Ansicht, dass deren »rassische« Substanz nicht durch

äußere Einflüsse wie die Adaption der deutschen Sprache und deutscher kultureller Praktiken verändert wer-

den könne. Eine »Vermischung« mit der einheimischen Bevölkerung lehnte Hitler kategorisch ab, da er der

vererbungsbiologischen Annahme anhing, dass der biologische »Wert« der deutschen »Herrenrasse« hierdurch

unwiderruflich vermindert werde. Diese »Logik« zählte zu den folgenschwersten Konstanten in Hitlers Welt-

anschauung, ließ die Verneinung der »Germanisierung« von Menschen in letzter Konsequenz doch nur drei

Alternativen im Umgang mit der Bevölkerung des zu erobernden, neuen »Lebensraums« zu: Vertreibung,

Versklavung oder Vernichtung. In einer geheimen Rede vom 3.2.1933, in der er seine Kriegspläne unmiss-

verständlich offenlegte, setzte Hitler seine Überzeugungen auch den Spitzen der Reichswehr auseinander.

Hitler kündigte an, dass er nach einer »Frist von 6–8 Jahren«, während der er in Deutschland »den Marxismus

vollständig auszurotten« gedachte, das deutsche Heer für »das Ziel der Ausweitung des Lebensraumes […]

auch mit bewaffneter Hand« einsetzen werde. Dabei betonte er: »[

E

]ine Germanisierung der Bevölkerung

des annektierten bzw. eroberten Landes ist nicht möglich. Man kann nur Boden germanisieren.« Im Zwei-

ten Weltkrieg sanktionierte Hitler schließlich die Durchführung einer »ethnischen Flurbereinigung« in den

besetzten Ostgebieten gemäß seinem Konzept der »Germanisierung«.

Vgl. ALY, Endlösung, S. 35–50; 95–114, 177–187; WIRSCHING, Boden, Anm. 71 in diesem Kapitel.

Quelle: KE, Bd. 2, S. 996.