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Einsichten und Perspektiven Themenheft 1 | 16

Hitlers

Mein Kampf

– Perspektiven für die historisch-politische Bildungsarbeit

Materialien

Methodische Anregungen:

Für fortgeschrittene Lerngruppen bietet es sich an, nicht nur die inhaltlichen Aussagen Hitlers zu analysieren, sondern

auch den Gang der Argumentation zu reflektieren. Zur vertieften Behandlung kann der Text mit der Interpretation von

Barbara Zehnpfennig kontrastiert werden.

Leitfragen:

Welchen Zweck hat Lesen für Hitler? Welche anderen Formen des Lesens stehen dem gegenüber?

Welche Haltung gegenüber der „Intelligenz“, also gegenüber gebildeten Menschen hat Hitler?

Worin besteht für Barbara Zehnpfennig „ideologisches Denken“?

Wie äußert sich ideologisches Denken in Hitlers Text?

Barbara Zehnpfennig: Kommentar

»Die Kunst des richtigen Lesens« besteht für ihn darin, von vornherein Wichtiges von Unwichtigem zu

sondern und das auf diese Weise Gewonnene durch »seine sinngemäße Eingliederung in das immer schon

irgendwie vorhandene Bild« (37) den eigenen Intentionen dienstbar zu machen. Weil Lesen nicht nur Mate-

rial für berufliche Bildung liefern, sondern auch »ein allgemeines Weltbild vermitteln« soll, gibt dieses letzt-

lich den Maßstab vor. Der inneren Abfolge eines Textes nachzuspüren, erübrigt sich dann, schließlich geht

es um die Sammlung von »Mosaiksteinchen« (36), die sich in das Bild zu fügen haben. Hitler beschreibt

hier beispielhaft, wie ideologisches Denken funktioniert. Jede Aufnahme von Daten erfolgt nach Maßgabe

der immer schon getroffenen Vorentscheidungen. Zwar spricht Hitler auch von einer möglichen Korrektur

des bisher Gedachten durch neu Gelesenes oder Erlebtes, kann eine solche Korrektur aber nicht glaubhaft

machen. Denn einen sachlichen Zugang zur Welt hat er sich bereits versperrt, wenn er sich nicht auf innere

Zusammenhänge einlassen zu müssen meint, sondern die Wirklichkeit als Steinbruch missbraucht. Hitlers

Anti-Intellektualismus, der ihn immer wieder von der sogenannten »Intelligenz« sprechen lässt, vermag als

Alternative zu seiner Art des Lesens nur ein sinnloses Anhäufen von Wissen auszumachen. Was ihm »Werk-

zeug und Baustoffe« liefert, bildet seiner Meinung nach für die von ihm verachtete Intelligenz nur »zwecklosen

Ballast« (36). Dass es jenseits einer gewaltsamen Einfügung in das eigene System und indifferenter Bildungs-

bürgerlichkeit noch eine dritte Art des Umgangs mit Wissen geben könnte, liegt offenbar außerhalb von

Hitlers Horizont, und das wohl aus zwei Gründen: Er hat nie gelernt zu lernen, und außerdem ist ihm die

Demut vor der Sache, die Sachlichkeit erst ermöglicht, wesensfremd.

Quelle: Barbara Zehnpfennig: Mein Kampf. Eine Interpretation, München

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2002, S. 50 f.

Wie funktioniert ideologisches Denken? – Eine Analyse