Materialien
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Einsichten und Perspektiven Themenheft 1 | 16
Hitlers
Mein Kampf
– Perspektiven für die historisch-politische Bildungsarbeit
Wie funktioniert ideologisches Denken? – Auszüge aus Hitlers
Mein Kampf
2. Kapitel
Wiener Lehr- und Leidensjahre
Freilich verstehe ich unter »lesen« vielleicht etwas anderes als der große Durchschnitt unserer sogenannten
»Intelligenz«.
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Ich kenne Menschen, die unendlich viel »lesen«, und zwar Buch für Buch, Buchstaben um
Buchstaben, und die ich doch nicht als »belesen« bezeichnen möchte. Sie besitzen freilich eine Unmenge von
»Wissen«, allein ihr Gehirn versteht nicht, eine Einteilung und Registratur dieses in sich aufgenommenen
Materials durchzuführen. Es fehlt ihnen die Kunst, im Buche das für sie Wertvolle vomWertlosen zu sondern,
das eine dann im Kopfe zu behalten für immer, das andere, wenn möglich, gar nicht zu sehen, auf jeden Fall
aber nicht als zwecklosen Ballast mitzuschleppen. Auch das Lesen ist ja nicht Selbstzweck, sondern Mittel zu
einem solchen. Es soll in erster Linie mithelfen, den Rahmen zu füllen, den Veranlagung und Befähigung
jedem ziehen; mithin soll es Werkzeug und Baustoffe liefern, die der einzelne zu
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seinem Lebensberufe
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nötig
hat, ganz gleich, ob dieser nur dem primitiven Broterwerbe
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dient oder die Befriedigung einer höheren Bestim-
mung darstellt; in zweiter Linie aber soll es ein allgemeines Weltbild vermitteln. In beiden Fällen ist es nun
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nötig, daß der Inhalt des jeweilig Gelesenen nicht in der Reihenfolge des Buches oder gar der Bücherfolge dem
Gedächtnis zur Aufbewahrung übergeben wird, sondern als Mosaiksteinchen in dem allgemeinen Weltbilde
seinen Platz an der ihm zukommenden Stelle erhält und so eben mithilft, dieses Bild im Kopfe des Lesers zu
formen. Im anderen Falle entsteht ein wirres Durcheinander von eingelerntem Zeug, das ebenso wertlos ist,
wie es anderseits
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den unglücklichen Besitzer eingebildet und aufgeblasen
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macht.
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Quelle: KE, Bd. 1, S. 165/167.
Wer aber die Kunst des richtigen Lesens inne hat
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, den wird das Gefühl beim Studieren jedes Buches, jeder
Zeitschrift oder Broschüre augenblicklich auf all das aufmerksam machen, was seiner Meinung nach für ihn
geeignet (weil entweder zweckmäßig oder allgemein wissenswert) ist zur dauernden Festhaltung
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. Sowie nun
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das auf solche Weise Gewonnene seine sinngemäße Eingliederung in das immer schon irgendwie vorhandene
Bild, das sich die Vorstellung von dieser oder jener Sache geschaffen hat, findet, wird es entweder korrigierend
oder ergänzend wirken, also entweder die Richtigkeit oder Deutlichkeit desselben erhöhen. Legt nun das
Leben plötzlich irgendeine Frage zur Prüfung oder Beantwortung vor, so wird bei einer solchen Art des Lesens
das Gedächtnis augenblicklich zumMaßstabe des schon vorhandenen Anschauungsbildes greifen und aus ihm
alle die in Jahrzehnten gesammelten einzelnen diese Frage
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betreffenden Beiträge herausholen, dem Verstande
unterbreiten zur Prüfung und neuen Einsichtnahme, bis die Frage geklärt oder beantwortet ist.
Nur so hat das Lesen dann einen
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Sinn und Zweck.
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Quelle: KE, Bd. 1, S. 167/169.