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Kampf ums Weiße Haus 2016
Einsichten und Perspektiven 4 | 16
keit, doch oberster Diplomat und Befehlshaber der Streit-
kräfte ist nun mal der Präsident. Hier hat Trump also die
größte Handlungsfreiheit und kann aus Sicht seiner Kriti-
ker den größten Schaden anrichten. Einige Möglichkeiten:
•
Russland und Syrien:
Wenn Trump tatsächlich eine
russlandfreundliche Politik verfolgen will, kann er das
tun. Die Sanktionen gegen Russland wegen der Krim-
Annexion und des Bürgerkriegs in der Ukraine basieren
weitgehend auf Exekutivanweisungen Obamas; Trump
könnte sie aussetzen. Er könnte ebenso entscheiden,
dass die Absetzung des syrischen Präsidenten Assad
kein Ziel der US-Politik mehr sei, solange er den isla-
mischen Staat bekämpft. Damit wären zwei zentrale
Streitpunkte zwischen den USA und Russland ausge-
räumt. Allerdings dürfte Trump bei solchem Ansinnen
erheblichen Gegenwind aus der eigenen Partei spüren.
•
NATO:
Eine Auflösung der NATO oder auch ein
Austritt der USA aus dem Bündnis hat selbst Trump
so nicht gefordert; diese Schritte stehen auch nicht zur
Debatte. Hingegen dürfte der Druck auf die europäi-
schen NATO-Verbündeten, einen größeren Beitrag zur
gemeinsamen Verteidigung zu leisten, massiv steigen –
zumal selbst Obama die NATO-Europäer schon als
„Trittbrettfahrer“ kritisiert hat.
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•
Klimapolitik:
Das Pariser Klimaabkommen ist aus
rechtlicher Sicht der USA kein völkerrechtlich binden-
der Vertrag, sondern lediglich eine Abmachung zwi-
schen Regierungen. Trump könnte die Zustimmung
der USA einfach zurückziehen und würde dabei auch
von weiten Teilen der Republikaner unterstützt.
•
Atomabkommen mit dem Iran:
Auch dies ist kein vom
Senat ratifizierter Vertrag, sondern ein reines Regierungs-
abkommen, aus dem Trump per Federstrich aussteigen
könnte, wohl ebenfalls zur Freude vieler Republikaner.
Allerdings gehören zu den Zeichnern des Abkommen
neben den USA und Iran auch die europäischen Staa-
ten Großbritannien, Frankreich und Deutschland sowie
die UN-Vetomächte Russland und China. Ob Trump all
diese Regierungen verärgern will, bleibt abzuwarten.
•
Freihandel:
Die Freihandelsabkommen TTIP mit der
EU und TPP mit mehreren asiatischen und amerikani-
schen Staaten kann Trump schlicht abblasen und wird
dies wahrscheinlich auch tun. Allerdings dürfte das vie-
len Republikanern im Kongress keinesfalls schmecken.
Einen Handelskrieg mit China kann Trump zwar nicht
37 Vgl.
http://www.zeit.de/politik/ausland/2016-05/nato-donald-trump-barack-obama-verteidigungsetat-verteidigungspolitik-5vor8 [Stand 20.11.2016].
ganz im Alleingang anzetteln, aber er könnte im Rahmen
bestehender Gesetze verschiedene Brüche der Handelsre-
geln seitens Chinas feststellen und diese sanktionieren.
•
Einreise von Muslimen:
Das Einwanderungsgesetz von
1952 erlaubt es dem Präsidenten, die Einreise von Perso-
nen, die den Interessen der USA schaden, zu verbieten.
Dieser Passus war ursprünglich gegen Kommunisten
gerichtet. Ihn gegen Muslime, also über eine Milliarde
Menschen, zu richten, wäre extrem – zumal Reisepässe
keine Angaben zur Religionszugehörigkeit enthalten –
aber nicht völlig ausgeschlossen.
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Realistischer wäre es
für eine Trump-Regierung, die Visavergabe in islami-
schen Ländern massiv zu erschweren. In diese Richtung
gingen auch Trumps Äußerungen in der späteren Phase
des Wahlkampfs.
Checks and Balances: Innenpolitische Aussichten
In der Innenpolitik hat Trump deutlich weniger Hand-
lungsspielraum, denn das Gesetzgebungs- und Haus-
haltsrecht liegt beim Kongress, und die Senatoren und
Repräsentanten sind selbst Präsidenten der eigenen Par-
tei gegenüber sehr unabhängig. Hinzu kommt der stark
föderale Charakter der USA: Die 50 Bundesstaaten haben
nicht einmal ein gemeinsames Zivil- und Strafrecht. Zwar
kann der Präsident vieles über sogenannte Exekutivanwei-
sungen quasi auf demVerordnungswege erreichen (Obama
hat die Grenzen dieser Möglichkeit stark gedehnt), aber
für richtige Reformen und Wirtschaftsprogramme müssen
Präsident und Kongress an einem Strang ziehen.
Die Frage ist also, ob es dem 45. US-Präsidenten gelin-
gen wird, die Republikaner im Kongress hinter sich zu
bringen. Im Wahlkampf hat er sich mit vielen von ihnen
zerstritten, doch nach seinem Wahlsieg hat ihm z.B. der
lange hin-und-her-schwankende Sprecher des Repräsen-
tantenhauses, Paul Ryan, seine volle Unterstützung zuge-
sichert. Ob und wie lange der Burgfrieden halten wird, ist
höchst fraglich – die Republikaner sind zutiefst zerstritten,
und wo sie sich einig sind, steht manchmal Trump quer.
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Sollte es ihm tatsächlich gelingen, die Republikaner zu
einen, wäre damit mehr Staatskunst gelungen, als ihm die
meisten Beobachter zutrauen. Hier einige Themenfelder:
•
Die Mauer:
Trumps wohl bekanntestes Wahlkampfver-
sprechen, eine Mauer entlang der über 3.000km langen
Grenze zu Mexiko zu bauen, ist auch aus politischer Sicht
kaum realistisch. Eine weitere Aufstockung der Grenzpo-
38 Vgl.
http://wpo.st/PGbF2[Stand 20.11.2016].
39 Vgl.
http://wpo.st/OUbF2[Stand 20.11.2016].