Table of Contents Table of Contents
Previous Page  32 / 80 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 32 / 80 Next Page
Page Background

32

Kampf ums Weiße Haus 2016

Einsichten und Perspektiven 4 | 16

keit, doch oberster Diplomat und Befehlshaber der Streit-

kräfte ist nun mal der Präsident. Hier hat Trump also die

größte Handlungsfreiheit und kann aus Sicht seiner Kriti-

ker den größten Schaden anrichten. Einige Möglichkeiten:

Russland und Syrien:

Wenn Trump tatsächlich eine

russlandfreundliche Politik verfolgen will, kann er das

tun. Die Sanktionen gegen Russland wegen der Krim-

Annexion und des Bürgerkriegs in der Ukraine basieren

weitgehend auf Exekutivanweisungen Obamas; Trump

könnte sie aussetzen. Er könnte ebenso entscheiden,

dass die Absetzung des syrischen Präsidenten Assad

kein Ziel der US-Politik mehr sei, solange er den isla-

mischen Staat bekämpft. Damit wären zwei zentrale

Streitpunkte zwischen den USA und Russland ausge-

räumt. Allerdings dürfte Trump bei solchem Ansinnen

erheblichen Gegenwind aus der eigenen Partei spüren.

NATO:

Eine Auflösung der NATO oder auch ein

Austritt der USA aus dem Bündnis hat selbst Trump

so nicht gefordert; diese Schritte stehen auch nicht zur

Debatte. Hingegen dürfte der Druck auf die europäi-

schen NATO-Verbündeten, einen größeren Beitrag zur

gemeinsamen Verteidigung zu leisten, massiv steigen –

zumal selbst Obama die NATO-Europäer schon als

„Trittbrettfahrer“ kritisiert hat.

37

Klimapolitik:

Das Pariser Klimaabkommen ist aus

rechtlicher Sicht der USA kein völkerrechtlich binden-

der Vertrag, sondern lediglich eine Abmachung zwi-

schen Regierungen. Trump könnte die Zustimmung

der USA einfach zurückziehen und würde dabei auch

von weiten Teilen der Republikaner unterstützt.

Atomabkommen mit dem Iran:

Auch dies ist kein vom

Senat ratifizierter Vertrag, sondern ein reines Regierungs-

abkommen, aus dem Trump per Federstrich aussteigen

könnte, wohl ebenfalls zur Freude vieler Republikaner.

Allerdings gehören zu den Zeichnern des Abkommen

neben den USA und Iran auch die europäischen Staa-

ten Großbritannien, Frankreich und Deutschland sowie

die UN-Vetomächte Russland und China. Ob Trump all

diese Regierungen verärgern will, bleibt abzuwarten.

Freihandel:

Die Freihandelsabkommen TTIP mit der

EU und TPP mit mehreren asiatischen und amerikani-

schen Staaten kann Trump schlicht abblasen und wird

dies wahrscheinlich auch tun. Allerdings dürfte das vie-

len Republikanern im Kongress keinesfalls schmecken.

Einen Handelskrieg mit China kann Trump zwar nicht

37 Vgl.

http://www.zeit.de/politik/ausland/2016-05/nato-donald-trump-barack-

obama-verteidigungsetat-verteidigungspolitik-5vor8 [Stand 20.11.2016].

ganz im Alleingang anzetteln, aber er könnte im Rahmen

bestehender Gesetze verschiedene Brüche der Handelsre-

geln seitens Chinas feststellen und diese sanktionieren.

Einreise von Muslimen:

Das Einwanderungsgesetz von

1952 erlaubt es dem Präsidenten, die Einreise von Perso-

nen, die den Interessen der USA schaden, zu verbieten.

Dieser Passus war ursprünglich gegen Kommunisten

gerichtet. Ihn gegen Muslime, also über eine Milliarde

Menschen, zu richten, wäre extrem – zumal Reisepässe

keine Angaben zur Religionszugehörigkeit enthalten –

aber nicht völlig ausgeschlossen.

38

Realistischer wäre es

für eine Trump-Regierung, die Visavergabe in islami-

schen Ländern massiv zu erschweren. In diese Richtung

gingen auch Trumps Äußerungen in der späteren Phase

des Wahlkampfs.

Checks and Balances: Innenpolitische Aussichten

In der Innenpolitik hat Trump deutlich weniger Hand-

lungsspielraum, denn das Gesetzgebungs- und Haus-

haltsrecht liegt beim Kongress, und die Senatoren und

Repräsentanten sind selbst Präsidenten der eigenen Par-

tei gegenüber sehr unabhängig. Hinzu kommt der stark

föderale Charakter der USA: Die 50 Bundesstaaten haben

nicht einmal ein gemeinsames Zivil- und Strafrecht. Zwar

kann der Präsident vieles über sogenannte Exekutivanwei-

sungen quasi auf demVerordnungswege erreichen (Obama

hat die Grenzen dieser Möglichkeit stark gedehnt), aber

für richtige Reformen und Wirtschaftsprogramme müssen

Präsident und Kongress an einem Strang ziehen.

Die Frage ist also, ob es dem 45. US-Präsidenten gelin-

gen wird, die Republikaner im Kongress hinter sich zu

bringen. Im Wahlkampf hat er sich mit vielen von ihnen

zerstritten, doch nach seinem Wahlsieg hat ihm z.B. der

lange hin-und-her-schwankende Sprecher des Repräsen-

tantenhauses, Paul Ryan, seine volle Unterstützung zuge-

sichert. Ob und wie lange der Burgfrieden halten wird, ist

höchst fraglich – die Republikaner sind zutiefst zerstritten,

und wo sie sich einig sind, steht manchmal Trump quer.

39

Sollte es ihm tatsächlich gelingen, die Republikaner zu

einen, wäre damit mehr Staatskunst gelungen, als ihm die

meisten Beobachter zutrauen. Hier einige Themenfelder:

Die Mauer:

Trumps wohl bekanntestes Wahlkampfver-

sprechen, eine Mauer entlang der über 3.000km langen

Grenze zu Mexiko zu bauen, ist auch aus politischer Sicht

kaum realistisch. Eine weitere Aufstockung der Grenzpo-

38 Vgl.

http://wpo.st/PGbF2

[Stand 20.11.2016].

39 Vgl.

http://wpo.st/OUbF2

[Stand 20.11.2016].