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Kampf ums Weiße Haus 2016

Einsichten und Perspektiven 4 | 16

Zwar holte Clinton große Mehrheiten bei diesen Gruppen,

aber eben nicht genug, umTrumps riesigen Vorteil bei wei-

ßen Wählern ohne College-Abschluss auszugleichen.

7

Das war die große Frage dieser Wahl: Wäre sie eine

Abstimmung über Trumps Persönlichkeit gewesen, hätte

er verloren – zu polarisierend und persönlich fragwürdig

ist der Milliardär aus Manhattan, dessen Äußerungen über

Frauen und Mexikaner allein schon jeden anderen Kandi-

daten vernichtet hätten. Doch die Wahl war vielmehr eine

Abrechnung vor allem der weißen Globalisierungs- und

Modernisierungsverlierer mit einem politisch-wirtschaft-

lichen Komplex, von dem sie sich verraten und verkauft

fühlten. Und niemand verkörpert das Establishment in

den USA so sehr wie Hillary Clinton.

Warum Hillary Clinton verlor

Hillary Clinton hatte bereits mehrere politische Ämter

inne: Sie war Außenministerin und Senatorin, sie bemühte

sich bereits 2008 um die Präsidentschaftsnominierung der

Demokraten, verlor aber gegen Barack Obama. Und natür-

lich lebte sie bereits acht Jahre imWeißen Haus, als Ehefrau

des ehemaligen Präsidenten Bill Clinton. Als

first lady

war sie

politisch enorm einflussreich und aktiv, Bill Clinton hatte

in seinem Präsidentschaftswahlkampf nicht umsonst von

„zwei für den Preis von einem“ gesprochen. Die Clintons

sind das bekannteste politische Team der USA, und genau

darin liegt das Problem: Kaum eine andere Politikerin hat

in der Bundespolitik so lange so viele verschiedene Rollen

gespielt wie die demokratische Präsidentschaftskandidatin.

Hillary Clinton konnte nicht als Revolutionärin gegen das

System antreten, denn Hillary Clinton

ist

das System.

In einer anderen Wahl hätte ihr diese 30 Jahre politi-

sche Erfahrung wahrscheinlich zum Vorteil gereicht, doch

2016 stand die Wählerstimmung auf Protest. Das war bei

den Republikanern schon im Vorwahlkampf offensicht-

lich, in dem alle Politiker mit Regierungserfahrung sang-

und klanglos durchfielen. Auch bei den Demokraten zeigte

der überraschende Erfolg des Linkspopulisten Bernie San-

ders, dass viele Wähler der Partei mit der politischen Elite

abrechnen wollten. Ob nun Sanders gegen Trump hätte

gewinnen können, darüber werden die Demokraten sich

noch lange streiten. Eine Antwort auf eine solch spekula-

tive Frage kann es nicht geben.

Manche von Hillary Clintons Problemen sind hausge-

macht. Die Clinton Foundation mag eine völlig saubere,

7 Die Wählerbefragung der New York Times beleuchtet das Wahlverhal-

ten nach demographischen Gesichtspunkten. Vgl.

http://nyti.ms/2ejUjgn

[Stand 17.11.2016].

gemeinnützige Stiftung sein, doch sie erweckte zumindest

den Anschein des Interessenskonflikts. Manche Spender

der Stiftung haben sich wohl politischen Zugang zur

Außenministerin erhofft; ob sie ihn erhalten haben, ist

eine andere Frage.

8

Die Vorwürfe der Verquickung von

politischen und wirtschaftlichen Aktivitäten der Clintons,

von Interessenskonflikten bis hin zu Korruption, waren

zahlreich aber unbewiesen. Viele Wähler haben sich wohl

gedacht, wo so viel Rauch ist, müsse auch irgendwo ein

Feuer sein.

Das andere große Problem für Clinton war die E-Mail-

Affäre, ihre höchst fragwürdige Praxis, als Außenministe-

rin einen privaten E-Mail-Server auch für offizielle und

sogar in einigen Fällen geheime Korrespondenz zu ver-

wenden. Die Löschung von Tausenden angeblich privater

E-Mails unterminierte das Vertrauen der Öffentlichkeit

in Clinton. Nun war die FBI-Untersuchung der Angele-

genheit bereits im Juli zwar nicht ergebnis-, aber folgen-

los abgeschlossen. Dann kam die

October Surprise

: Eine

Woche vor der Präsidentschaftswahl kündigte das FBI an,

die Untersuchung wegen eines neu aufgetauchten Com-

puters wiederaufzunehmen. Ganz wenige Tage vor der

Wahl wurde diese erneute Untersuchung dann wieder

eingestellt. Hinter der Aktion stand wohl ein Team von

FBI-Ermittlern aus New York, was den Vorwurf nahelegt,

der ehemalige Staatsanwalt und Bürgermeister von New

York, der Trump-Verbündete Rudy Giuliani hätte die

Sache angezettelt. Ob nun wahr oder nicht, die Endphase

des Wahlkampfs ähnelte einer Folge der Politikintrigen-

Serie

House of Cards

.

Letztlich erklärt sich die Niederlage von Clinton auch

durch die Rache der

angry white men

, der zornigen weißen

Männer. Obama war von einer Koalition aus ethnischen

Minderheiten, jüngeren Frauen und hochgebildeten

Weißen gewählt worden. Clinton punktete bei all diesen

Gruppen, nur eben nicht hoch genug. Bei Wählerinnen

hatte sie zwölf Prozent Vorsprung vor Trump – ähnlich

wie Obama 2012. Doch Trump hatte bei männlichen

Wählern ebenfalls zwölf Prozent Vorsprung vor Clinton,

und das war ein erheblich besseres Ergebnis als Mitt Rom-

ney vier Jahre zuvor. Bei weißen Männern lag Trump gar

21 Prozent vorne. Offensichtlich war ein erheblicher Teil

der weißen, männlichen Wähler nicht bereit, eine Frau

als Präsidentin zu akzeptieren – zumindest nicht Hillary

Clinton.

9

8 Vgl.

http://wpo.st/wxZF2

[Stand 20.11.2016].

9 Vgl.

http://nyti.ms/2ejUjgn

[Stand 17.11.2016].