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Kampf ums Weiße Haus 2016

Einsichten und Perspektiven 4 | 16

Ein republikanischer Kongress – Demokraten, was nun?

Neben der Präsidentschaftswahl fanden auch Kongresswah-

len statt: das gesamte Repräsentantenhaus und 34 Senatssitze

standen zur Wahl. Wie erwartet verteidigten die Republika-

ner ihre Mehrheit im Repräsentantenhaus. Bei der Senats-

wahl hatten die meisten Meinungsforscher eine knappe

Mehrheit für die Demokraten prognostiziert und lagen auch

hier falsch. Die Republikaner verteidigten eine hauchdünne

Mehrheit von 51 oder 52 der 100 Sitze.

10

Damit ist Trump

in der eigentlich glücklichen Lage, eine Kongressmehrheit

der eigenen Partei hinter sich zu haben. Doch ob die Kon-

gressrepublikaner, mit vielen von denen er im Wahlkampf

erheblichen Streit hatte, ihm tatsächlich folgen, ist mehr als

fraglich. Neben persönlichen Konflikten liegt Trumps Poli-

tik – zumindest seine Äußerungen aus dem Wahlkampf –

mit zentralen Positionen der Republikaner überkreuz.

11

So schwierig die Situation für die Republikaner auch sein

mag, für die Demokraten ist sie katastrophal. Kein Weißes

Haus, keine Mehrheit im Kongress, und in den Bundesstaa-

ten sind sie auch weitgehend abgemeldet: Nur in 15 Staaten

stellen die Demokraten noch den Gouverneur (die Repu-

blikaner haben 34) und nur 13 Staatsparlamente haben

eine Mehrheit der Demokraten in beiden Kammern. Die

Personaldecke ist dünn, es fehlt an jungen Stars. Es ist kein

Zufall, dass der Vorwahlkampf zwischen Clinton (mittler-

weile 69 Jahre alt) und Sanders (75) entschieden wurde;

der wahrscheinlichste Alternativkandidat war Vizepräsident

Joe Biden (73). Für eine Partei, die sich als die Stimme des

modernen, multiethnischen, urbanen Amerika versteht,

sehen die Demokraten ganz schön alt und weiß aus. Sie

müssen sich wohl in der Opposition erneuern und vor

allem auf lokaler und Bundesstaatsebene wieder Fuß fas-

sen. Ihre größte Hoffnung dürfte sein, dass die Wähler von

Trumps Präsidentschaft bitter enttäuscht werden – dann

könnte sich das Blatt bei den Kongresswahlen 2018 und

der Präsidentschaftswahl 2020 wieder wenden.

Schock, Tränen und Jubel: Reaktionen auf Trumps

Wahlsieg

Selten wurde ein US-Wahlkampf auch international mit so

viel Interesse verfolgt – der politische Provokateur Trump

spaltet sowohl innerhalb als auch außerhalb der Vereinigten

Staaten. DieWoche nach derWahl war geprägt von Schock-

starre bei allen, die sich einenWahlsieg Trumps nicht hatten

10 Die genaue Zahl hängt noch von einer Stichwahl in Louisiana am 10. De-

zember 2016 ab.

11 Vgl. Hünemörder (wie Anm. 3), S. 34.

vorstellen können, Tränen bei jenen, die vor seiner Politik

Angst haben müssen und Jubel bei seinen Anhängern und

potentiellen politischen Profiteuren im Ausland.

Reaktionen in den USA

Die Reaktionen auf das Wahlergebnis in den USA zeigen:

Die vermeintlich „Vereinigten“ Staaten von Amerika sind

ein gespaltenes Land. In vielen Städten, vor allem liberalen

Hochburgen wie New York oder Portland, gab es wütende

Proteste gegen Trumps Wahlsieg, teils mit Flaggenverbren-

nungen wie in Zeiten des Vietnamkriegs. Einige Demons-

tranten skandierten Slogans wie

„Not My President“

und

stellten somit das Ergebnis der Wahl grundsätzlich in

Frage. Der linke Filmemacher Michael Moore – der den

Wahlsieg Trumps immerhin prognostiziert hatte – ver-

suchte imTrump Tower eine Rücktrittsforderung zu über-

geben, natürlich ohne Erfolg.

12

An vielen Universitäten

gab es ebenfalls Proteste und Trauerbekundungen, von der

konservativen Presse als

„cry-in“

verlacht.

13

Unter Trumps Unterstützern hingegen war der Jubel

naturgemäß groß, zumal der Sieg ja überraschend kam.

Trump selbst hatte in den Wochen vor der Wahl ange-

droht, eine Niederlage nicht anerkennen zu wollen und

das Wahlsystem als „abgekartetes Spiel“ denunziert – umso

ekstatischer fällt nun der Jubel aus. Einige Medien berich-

teten aber auch von Übergriffen gegen Minderheiten wie

Hispanics oder Afro-Amerikaner, ähnlich wie es nach dem

Brexit-Votum in Großbritannien zu Angriffen auf osteu-

ropäische Einwanderer gekommen war.

14

Wie flächende-

ckend und anhaltend solche Ausbrüche sind oder ob die

Anti-Trump-Proteste anhalten, bleibt abzuwarten.

Eines ist jedenfalls sicher: Die USA sind tief gespalten.

Hillary Clinton gewann in den großen Städten, vor allem

denen an der Ost- und Westküste, dort gibt es auch die

Anti-Trump-Proteste. Trump wiederum reüssierte in den

Vororten und ländlichen Regionen. Das urbane, moderne,

multi-ethnische, säkulare, liberale Amerika und das länd-

liche, traditionelle, überwiegend weiße, religiöse, kon-

servative Amerika bilden zwei Pole, die sich zunehmend

ablehnend und sogar feindselig gegenüber stehen. Es ist

kaum abzusehen, wo eine Versöhnung herkommen soll.

Trump selbst gab sich nach dem Wahlsieg vergleichs-

weise versöhnlich, versprach der Präsident aller Amerika-

ner sein zu wollen und die Wunden der Nation zu heilen –

12 Vgl.

http://wpo.st/JCtE2

[Stand 17.11.2016].

13 Vgl.

http://go.shr.lc/2eOdzBp

[Stand 17.11.2016].

14 Vgl.

http://spon.de/aeRV2

[Stand 17.11.2016].